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Missratene Anwendung und FailsWo die künstliche Intelligenz keine gute Falle macht

In dieser Schulklasse ist nicht die KI der Primus.

Es ist schwer, keine Minderwertigkeitsgefühle zu entwickeln. Die künstliche Intelligenz dringt in alle Lebensbereiche vor. Und in allem, was sie tut, scheint sie besser, schneller und kompetenter zu sein als wir Menschen.

Doch stimmt das auch? Janelle Shane forscht und schreibt zum Thema. In ihrem Buch «You Look Like a Thing and I Love You» (in Deutsch «Künstliche Intelligenz – Wie sie funktioniert und wann sie scheitert») entmystifiziert sie den Hype. Sie hält lapidar fest, dass sich viele Aufgaben statt mit einer komplizierten KI besser durch gesunden Menschenverstand lösen liessen.

Janelle Shane – hier an einer Konferenz 2019 in Neuseeland – erforscht die Fehlleistungen der KI.

Einige der KI-Anwendungen, die mir in letzter Zeit begegnet sind, belegen Shanes Aussage eindrücklich:

«There is Waldo»: Die KI findet Walter

«There is Waldo» ist ein auf Wimmelbücher getrimmter Roboter. Er wurde aus handelsüblichen Komponenten zusammengebaut. In einem «Wo ist Walter?»-Buch findet er den Bub mit der rot-weissen Kappe innert Sekunden und zeigt mit dem Finger auf ihn. Als Demonstration von Bilderkennungs-Algorithmen ist das bemerkenswert. Trotzdem ist dieser Roboter ein Spassverderber und eine Lösung für ein Problem, das gar nicht existiert.

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«Ask Marcus»: Auf ein Schwätzchen mit Mark Aurel

«Ask Marcus» (Askmarcus.ai) lässt uns ein Gespräch mit dem römischen Kaiser Mark Aurel führen, der von 161 bis 180 das Römische Reich regierte. Wir können ihn nach seinen Hobbys oder seiner Meinung zu Zeitreisen fragen. Mit der App Hello History (für Android und iPhone) chatten wir auch mit Mahatma Gandhi, Albert Einstein oder Martin Luther King. Das ist gut gemeint: Das Chatten soll uns ein Gespür für eine historische Persönlichkeit und eine Epoche geben. Das Problem ist bloss, dass sich ein Mensch anhand seiner Überlieferungen nicht wiederbeleben lässt: Derlei Apps wecken den falschen Eindruck, künstliche Intelligenzen seien allwissend.

«Taaraka»: Die KI als Wahrsager

Die Taaraka-App verspricht «Astrologie für den modernen Verstand»: Sie habe das Problem gelöst, dass für die Beantwortung einer Frage «Millionen von astrologischen Mustern» analysiert werden müssten. Das sei früher unmöglich gewesen, heute dank KI aber ein Klacks. Das Geschäftsmodell bleibt allerdings das alte: Als ich die App fragen will, wann ich die erste Million auf dem Konto habe, teilt sie mir mit, ich müsse erst drei Dollar für die Antwort einzahlen.

«Pink Mirror»: Das gnadenlose Schönheitsprogramm

Mit künstlicher Intelligenz zu natürlicher Schönheit? Einige Ansätze aus diesem Bereich sind einleuchtend. Bei Hairstyleai.com laden wir einige Selfies hoch, aus denen (für neun US-Dollar) ein Avatar gerechnet wird, mit dem wir dann Hunderte Frisuren virtuell ausprobieren können. KI helfen auch, neue Parfüms zu kreieren. Doch die Frage sei erlaubt, ob es dafür nicht eine Nase bräuchte.

Auf Pinkmirror.com geht es dann ans Eingemachte: Hier laden wir Selfies hoch, worauf uns der Algorithmus einem gnadenlosen Schönheits-Assessment unterzieht. Es gibt nicht bloss eine Note für die äussere Erscheinung, sondern eine ausführliche Bewertung. In meinem Fall findet die KI heraus, meine überzeugendsten Merkmale seien u.a. die Oberlippenhöhe und die Breite der Jochbeine (hier die ausführliche Analyse). Es gebe aber auch Verbesserungspotenzial, nämlich meine Nasenbreite und das Verhältnis von Augenbrauenbreite zu Jochbeinbreite.

Die KI als Richter über Schönheit und Ausstrahlung: Warum tut man sich so etwas an?

Für ein Abo von zehn US-Dollar pro Monat gibt «Pink Mirror» Tipps, wie die Mankos zu beseitigen sind. Durch regelmässige Wiederholung des Tests lassen sich die Fortschritte verfolgen. Und auch wenn die Ratschläge nicht verkehrt sein mögen: Die empathielose Reduktion auf das Aussehen bringt mich dazu, bei «Pink Mirror» an die dystopische Netflix-Serie «Black Mirror» zu denken.

«Freddie Meter»: Singen wie Freddie Mercury

Im Vergleich dazu ist der «Freddie Meter» eine Wohltat: Auf Freddiemeter.withyoutube.com gilt es, zu einem Queen-Song inbrünstig mitzusingen. Im Anschluss gibt es eine Wertung zu Tonlage, Timbre und Melodie. Ich bekomme 27 Prozent und bin nicht sonderlich überrascht. Selbst eine dumme KI versteht, dass nur Freddie wie Freddie singt.

Freddie kanns besser: Um das zu erkennen, braucht es keine KI.

«Neural Times»: Die KI als unbestechlicher Meinungsschiedsrichter

Ein schwieriger Fall schliesslich ist «Neural Times»: Diese App sei ein «Pionier beim KI-Journalismus», der «politischer Voreingenommenheit und Polarisierung entgegenwirken» will. Das tut Neuraltimes.org, indem Quellen von allen politischen Lagern aufgegriffen und konsolidiert werden. Die Idee: Wenn alle Seiten berücksichtigt werden, dann entsteht so etwas wie eine objektive Darstellung. Am Ende der Artikel sind die jeweils verwendeten Quellen aufgeführt.

Doch die KI ist meines Erachtens der Rolle als Schiedsrichter nicht gewachsen: Eine faktische Bewertung der vermittelten Informationen kann die Anwendung nicht vornehmen. Weil sie selbst nicht recherchieren kann, ist sie anfällig für Unausgewogenheit (false Balance). Es bräuchte das, was gemäss der Expertin Janelle Shane den KI generell fehlt: den gesunden Menschenverstand.

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