Was Bitcoins und Tulpen verbindet
Vielleicht landen die Tulpen jetzt wirklich auf dem Komposthaufen der Geschichte. Seit jeher gilt ja die holländische «Tulpenmanie» des 17. Jahrhunderts als Inbegriff eines Spekulationswahns: Dass vernünftige Menschen den Gegenwert eines prachtvollen Hauses einsetzen für Blumenzwiebeln – so etwas liess sich doch kaum noch toppen. Aber momentan geben täglich Tausende Menschen Tausende Dollar oder Franken her für – ja, für was eigentlich? Für Bitcoins. Also für eine Zahlenreihe. Also eigentlich für eine gute Story.
Denn Spekulationsblasen sind nie bloss irgendwelche Überbewertungen, wie sie auf jedem Markt geschehen, sondern es sind weitgehend Luftschlösser, die aus einer faszinierenden Erzählung entstehen. Und sie folgen dabei oft ähnlichen Mustern.
Wer also das Bitcoin-Stück verstehen will, kann auch vom Ur-Hype der kapitalistischen Geschichte lernen. Nach dem Jahr 1630 stiegen in Holland die Preise für Tulpenzwiebeln erst stetig an, dann immer steiler, sodass sie in der Spitze das Zwanzigfache eines durchschnittlichen Handwerker-Jahreslohnes erreichten. Unvergesslich wurde der Fall durch zwei Aspekte: Erstens stürzten sich die Menschen auf etwas so Vergängliches wie Blumen – und zweitens platzte der ganze Traum innert Tagen. Anfang Februar 1637 waren manche Zwiebeln noch Gold wert, Mitte Februar waren sie nur noch Gemüse. Der Traum wurde zum Schock.
Erst Exotik, dann Luxus
Etwas verbindet die damaligen Tulpenzwiebeln mit den Bitcoins, aber auch mit den Internetaktien ums Jahr 2000: Man hatte es mit etwas Frischem, etwas Ungewohntem zu tun. Die Pflanzen der Gattung tulipa waren einige Jahrzehnte zuvor aus dem osmanischen Reich nach Europa eingesickert. Zunehmend avancierte ihre Zucht dann zum Hobby gebildeter und gehobener Kreise – heute würde man von «Trendsettern» sprechen –, und in einer nächsten Stufe lieferten sich die Tulpenfreunde einen fröhlichen Wettbewerb, wer den schönsten Garten habe. Man hatte es also mit einem exotischen Ding zu tun, das zum Luxus- und Prestigeobjekt aufstieg.
Dabei war dieses Ding schon von Natur aus ein bisschen spekulativ: Wer eine Tulpenzwiebel kauft, weiss nicht, ob die Blume schön wird oder ob ihr nicht am Ende Wind und Wetter den Garaus machen. Dass die Zwiebeln in Holland zunehmend verkauft wurden, während sie noch im Boden lagen, war eine ganz logische Folge. Kurz: Es entstand ein Terminhandel, wie wir ihn bis heute auf den Rohstoffmärkten kennen, ob bei Orangensaft, Schweinebäuchen oder Kakao.
Erinnern Sie sich noch an den Swatch-Hype?
Die exotische Blume zog im 17. Jahrhundert einen weiteren Typ Mensch an, nämlich die Sammler. Von Alkmaar bis Amsterdam waren mehr und mehr Leute bereit, Gold- und Silberstückchen hinzublättern für eine besonders schöne Gattung, eine seltene Farbkombination, eine einmalige Ränderung. Insofern ähnelte die bunte Blase, die ab 1630 entstand, eher den Spekulationen mit Swatch-Uhren in den 1980er Jahren als einem klassischen Börsenboom. Auch das Tulpengeschäft wurde dabei mit einem Schuss Marketing befeuert, wobei die Händler ihre Blumen mit wunderbaren Stichen oder wohlklingenden Namen anpriesen, als «Viceroy», «Admirael», «Semper Augustus» oder «Schoone Helena».
Das mag heute, wo man Bitcoins allen Ernstes «Währung» nennt, etwas plump wirken; damals jedoch dürfte es den Markt durchaus angeregt haben.
Die Tulpen waren etwas Neues – also fehlte Erfahrung bei der Preisbildung. Sie wurden in einer Liebhaber- und Sammlerszene herumgereicht – also spielte eine starke emotionale Komponente hinein. Und es könnte eine weitere Parallele bestehen zu modernen Bubbles: Im Holland der 1630er-Jahre gab es erheblichen Reichtum (womit man sich solche Prestigespielereien leisten konnte), zugleich grassierten erhebliche Unsicherheiten (was zu einem waghalsigeren Umgang mit Geld verführte).
Darauf hat der US-Historiker Peter M. Garber hingewiesen: In den Niederlanden grassierte zwischen 1625 und 1640 mehrfach die Pest, mit der Folge, dass die Leute eher bereit waren, rasch mal ein Risiko einzugehen; oder aber sie kamen als Erben schlagartig zu einer Menge Spielgeld.
Die Lektion der Gärtner
Gärtner wissen übrigens, dass der wilde Kauf von Tulpenzwiebeln nicht ganz so verrückt ist, wie er auf Laien wirken mag. Die Tulpe vermehrt sich vegetativ über Tochterzwiebeln – wer also eine hat, kann mit einem geschickten Händchen eine schöne Zucht aufbauen. Ein teures Exemplar mag sich also durchaus als gescheites Investment entpuppen.
Denn was geschah in Holland? Da blieb die Importpflanze aus den Türkenlanden auch nach dem Crash von 1637 eine beliebte Zierde. Die Gärtner pflegten das angesammelte Know-how eifrig weiter, Generation für Generation. Und so kam es, dass die Niederlande heute noch der wichtigste Tulpenproduzent der Welt sind.
17 Kommentare zu «Was Bitcoins und Tulpen verbindet»
Nur zur Erinnerung: nach der Pleitewelle durch Tulpenzweibeln folgte einige Jahre später noch so eine Spekulationswelle in Holland mit Hyazinthen. Schon damals hatte man kaum etwas dazu gelernt. Die menschliche Dummheit kennt keine Grenze. Wo ist nur der gesunde menschliche Verstand geblieben ? Der Wohlstandssättigung geopfert?
Was das Internet für Informationen war, wird die Blockchain für Transaktionen sein. Und Krypotowährungen als einen Use-Case einer Blockchain (als Werttransfer- und Aufbewahrungsmittel) werden in diesem „Internet der Transkationen“ eine zentrale Rolle spielen. Die gleiche Revolution welche mit Informationen stattgefunden hat (Internet, Smart-Phone, Apps, Google-Maps etc.), wird auch mit Transaktionen passieren. Krypto-Währungen als Konzept werden die Wirtschaftswelt verändern. Was nicht sicher ist, wer denn im „Internet der Transaktionen“ das nächste Google wird (Ripple, Ethereum etc.). Und ja Bitcoin wird es aus einer vielzahl auch technischen Gründen nicht ein werden (BTC wird as Yahoo im Internet der Transaktionen… als erster da, aber aufefressen von den followern).
So etwas wie eine etablierte, dezentralisierte E-Währung wird es nie geben. Das würde jedes Steueramt und jede Nationalbank der Welt überflüssig machen. Die Macht über das Geld wird da bleiben, wo sie ist und die aufkommenden E-Währungen werden im besten Falle die Leute vom Bargeld abbringen und sie an institutionell kontrollierte E-Währungen gewöhnen. Bitcoin etc. sind nur die ‚Appetizer‘ auf dem Weg zur gewaltlosen Bargeldabschaffung.
Den Vergleich mit der Tulpenmanie darf man ja machen. Als Historiker hätte Pöhner aber auch den deutschen Kaiser Willhelm II zitieren können. Als dieser 1904 das Privileg genoss, erstmals Auto zu fahren, sagte er danach: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Man muss nicht einmal soweit zurückgehen, um Fehleinschätzungen neuer Technologien zu finden. Steve Ballmer, 2006, damals CEO von Microsoft nach seiner Meinung über das iPhone befragt, antwortete lachend: „500$ für ein Telefon, das ist das teuerste Telefon der Welt. Niemand will das kaufen wollen, es besitzt ja nicht mal ein Keyboard um E-mails schreiben zu können.“ Technologien, ob man sie mag oder nicht können nicht mit Tulpen verglichen werden, genauso wenig wie Apple mit Birnen.
Gibt es gute Untersuchungen dazu, was die beste Strategie ist, wenn man weiss, dass man in einer Blase ist und eine nicht riesige, aber doch nicht vernachlässigbare Menge des Spekulationsguts besitzt? Nehmen wir an, man hätte 3 Bitcoins. Was ist am Besten? So schnell wie möglich verkaufen („Rette sich wer kann“), oder nicht verkaufen, dafür die nächsten Wochen ängstlich auf jede Kurschwankung achten und bei Anzeichen für den Crash alles verkaufen? Oder einfach mal sagen wir, jede Woche 0.1 verkaufen ungeachtet des Kurses? Oder die Hälfte sofort verkaufen, den Rest später? Ich weiss, dass es darauf keine allgemeingültige Antwort geben kann, aber gibt es spieltheoretische Überlegungen oder Untersuchungen?
Das kommt ganz darauf an welchen Anteil diese 3 BTC an Ihrem Vermögen ausmachen. Für mich wäre es eine sehr grosse Position (im Vergleich zum Rest) für meinen Vater wäre es eine eher kleine (aber volatile) Position. Was ich Ihnen sicher raten würde ist, falls die Position bei viel tieferen Kursen gekauft wurde, das Geld das man investiert hat erstmals rauszunehmen, dann macht man nie mehr über das Ganze einen Verlust damit.
Auch würde ich die Position auf einen Prozentsatz Ihres Gesamtvermögens reduzieren, bei Schwäche kann man dann aber auch wieder zukaufen.
Als aggressive Strategie würde ich z.B. 20% in short Aktienvol anlegen (XIV) 5% BTC und vielleicht sogar 5% ETH oder andere Crypto. Und dann noch 5% in Silber (SIL) und 5% in Goldproduzenten (GDX).
Jeden Monat rebalancieren.
Der Preis für Bitcoin (und andere Altcoins) wird sich, wie bei anderen Güter und Anlageformen, nach der Nachfrage bestimmen. Nur weil einem die Preise als (zu) hoch erscheinen, muss es sich deshalb noch nicht um eine Blase handeln. Es ist wie im Kunstmarkt: Niemand ist gezwungen mitzumachen und die geforderten Preise zu bezahlen. Man kann anstelle von Bitcoins auch ein Auto kaufen, oder in UBS Aktien investieren. Risiken gibt es überall, aber sicher ist, dass Wirtschaftswissenschaflter und Finanzanalysten mehrheitlich bisher Blasen vorgängig nicht erkannt haben (z.B. die, welche die Finanzkrise verursacht hatte) und immer erst in Nachhinein genau gewusst haben, was falsch lief. Also locker bleiben: Wer keine Bitcoins will, kauft eben keine.
Das ist so nicht ganz korrekt. Die Finanzkrise 2007 wurde schon lange im Vorfeld diskutiert. Die Diskussion spielte in den USA und Europa im Bereich des kreditgestützten Konsums, welcher immer längere Fristen und höhere Schulden benötigte. Der Erfolgsdruck der Quartalsgewinne anderer Marktteilnehmer liess keine Entspannung zu. Überraschend war schlussendlich das Ausmass der Verbriefung schlechter Immobilienkredite – das Risikomanagement liess keine Überraschungen zu – und die damals unterschätzte Verkettung der Risiken. Bitcoin selbst hat diesbezüglich kein Überraschungspotential, weil nur ein Listenplatz in einer Blockchain gekauft wird. Überraschen wird höchstens die heute unterschätzte Verkettung von Risiken bei seiner weiteren Verbriefung.
Stimmt, Bitcoin hat viel von einer Spekulationsblase, die etwa alle paar Jahre wieder platzen; meist sind es Immobilien und meist haben die Zentralbanken eine gewisse Mitschuld, weil sie das Geld zu freizügig drucken. Aber, als jemand, der noch nie Geld in irgendeiner Blase verloren hat und weiss, dass man das immer sagt, sage: Hier könnte es auch anders sein. Denn etwas, was den Anspruch hat, die bessere, weil sicherere, Weltwährung zu werden, gab es noch nie. Tulpenzwiebeln kann man genau für eine Sache brauchen: Tulpen. Finden sich keine Tulpenkäufer mehr, platzt die Blase, weil dann die Tulpenzwiebeln verfaulen. Eine Währung kann jedoch potenziell für jede Zahlung verwendet werden, also für alles. So platzt am Ende vielleicht nicht Bitcoin, sondern die Notenbankwährungen.
Sagen Sie das auch noch, wenn Ihr Arbeitgeber Ihren Lohn nur noch in Bitcoin ausbezahlt? Wer nimmt Ihre Bitcoin als Zahlung an, wenn der Marktpreis purzelt? Es ist ja keine gesetzliche Währung, der Austausch findet also auf freiwilliger Basis statt. Es besteht also die Möglichkeit, dass Sie sich für einen Monat harter Arbeit gerade noch eine Tasse Kaffee kaufen können.
Sollte das soweit kommen, würde ich mich hüten, meinen Lohn in Schweizer Franken zu akzeptieren. Der Wert einer Währung ist ja nicht dadurch begründet, dass es gesetzliches Zahlungsmittel ist, sondern aufgrund des Vertrauens der Menschen darauf, dass die Währung auch morgen noch zum gleichen Wert von den Marktakteuren als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Der Staat hat da natürlich durch das Gesetz einen Einfluss darauf. Bitcoin ist allerdings ein globales Phänomen und es ist schwer den Gebrauch zu verbieten: Mit anderen Worten: Ab dem Zeitpunkt, wo genügend Menschen davon ausgehen, dass die Notenbanken ihr Geld nicht mehr werden halten können, weil zuviel Altgeld in den Bitcoin abfliesst, brechen alle Dämme. Ich finde das ein erschreckendes, aber nicht ganz unplausibles Szenario.
Lustig, die Einen warten auf das Ende des bösen Euro, wollen zudem auf keinen Fall ihre geliebten Fränkli hergeben. Andere wiederum träumen von einer „Weltwährung“ Bitcoin.
Und wer will denn schon eine Weltwährung? Die Chinesen, die Russen, die Amerikaner, die Briten? Die Schweizer auf jeden Fall sicher nicht, die wollen unabhängig und frei sein.
Ich kann den angepriesenen Sinn der Bitcoin-Währungen noch einigermassen nachvollziehen. Wäre ja zu schön um wahr zu sein. Ueber den Energieverschleiss dieser Cryptowährungen liest man jedoch erst in letzter Zeit etwas vermehrt darüber. Und den halte ich für pervers hoch. Kurze Erklärung: aus Ueberzeugung bin ich für die Energiewende. Mittels PVA und Elektroauto entlaste ich die Umwelt (immerhin den CO2 Ausstoss) andererseits spare ich extrem an den laufenden Ausgaben (Oel, Benzin, Strom). Irgendwie bin ich Naiv, aber ich hoffe, wenn das viele täten, könnte man mit der Zeit auf AKW und Kohle verzichten. Wenn nun die halbe Welt mit Bitcoins zahlt, ist die Energiewende kurz gesagt gestorben. Was ist wichtiger? Saubere Luft oder Bitcoins? Für mich ist es klar: Saubere Luft.
niemand weiss, wo das top erreicht sein wird. was wir aber wissen. bitcoin und co. steht in einer beispielhaften spekulationsblase und wird in die geschichte eingehen. in einem jahr werden wir uns alle fragen, wie konnte dies alles nur passieren. derkursstimmt empfehlen wir zu lesen. die vergangenheit zeigt immer wieder, wie unüberlegt und nur von gier getrieben die märkte ins extreme steigen können. wo die pyramide endet und zusammenbricht, weiss niemand.
Auch ich bin fest überzeugt von einer Blase rund um Bitcoin und den anderen Blockchain-Währungen. Allerdings – und das sage ich ohne Hintergedanken und ohne ein einziges Bit davon zu besitzen: Die Blase muss sich noch viel mehr aufblähen, bis sie endlich gegen Null kracht. Wenn die Mehrheit der Fachleute und die meisten Menschen noch von Krise reden, dann ist die Krise noch nicht da. Erst wenn jeder überzeugt ist, dass es keine Krise mehr gibt, sind die Maximalstände erreicht. Denn im Moment findet man noch genügend dumme und gierige Menschen, die bereit sind mitzumachen. Also wollan! Greifen sie zu! 🙂
Nun von 4 cent auf 19’500 Dollar stellt schon so ziemlich alles in den Schatten was ich bisher gesehen habe und die Tulpen Entwicklung war auch ein Klacks dagegen. Aber klar das kann sich auch noch verzehn-, fünfzig- oder hundertfachen…
der grosse Reichtum ist dem Sklavenhandel und der Ausbeutung zu verdanken und Heute spielen sie sich als die guten aus