Von Kings Kniefall zu Trumps Zorn

Martin Luther King Jr. (links) protestiert im Gebet auf dem Weg ins Gefängnis in Selma, Alabama, 1965. Foto: Bettmann Archive
Wer beim Abspielen der US-Nationalhymne nicht aufsteht, sondern niederkniet, wie zuletzt viele Football-Spieler, ist in den Worten von Donald Trump «ein Hurensohn, der gefeuert gehört». Der US-Präsident fordert «Respekt für unser Land, unsere Flagge und Nationalhymne». Trumps Twitter-Attacken haben das Gegenteil bewirkt: Landesweit solidarisieren sich immer mehr Amerikaner mit den meist afroamerikanischen Football-Stars, die sich aus Protest gegen Rassismus weigern, während der Hymne aufzustehen.
Es war der einstige Quarterback Colin Kaepernick, der als erster Sportler den Kniefallprotest in einem Football-Stadion zeigte. Das war bereits vor einem Jahr – damals war noch Barack Obama Präsident. Kaepernick ist derzeit ohne Club, nicht zuletzt wegen seines Protests gegen Rassendiskriminierung und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner. Mit dem Beginn der neuen NFL-Saison und vor allem nach Trumps Twitter-Interventionen ist die Protest-Geste zu einer Kontroverse geworden, die mit kulturkämpferischem Pathos ausgetragen wird. Unter dem Hashtag #TakeAKnee ist das Niederknien als Protest seit ein paar Tagen ein viel diskutiertes Thema auf Twitter.
Tweets von Martin Luther Kings Tochter
Auch Bernice King hat sich in die Debatte eingeschaltet. Sie ist eine Tochter von Martin Luther King, des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers und Friedensnobelpreisträgers. Auf Twitter veröffentlichte sie ein Foto, das ihren Vater und seinen Mitstreiter Ralph Abernaty zeigt – niederkniend protestierend. Entstanden ist das Foto bei einer Kundgebung von Bürgerrechtsaktivisten am 1. Februar 1965 in Selma (Alabama). Der Protest richtete sich gegen die Festnahme von rund 250 Schwarzen in Dallas, die für ihr Wahlrecht demonstriert hatten.
«Die wahre Schande und Respektlosigkeit ist, dass Jahrzehnte nach diesem Foto der Rassismus immer noch Menschen tötet und das System korrumpiert», twitterte Bernice King, die das Martin Luther King Center in Atlanta leitet. Ihr Vater sei damals von seinen Gegner als radikaler Agitator gebrandmarkt worden, rief sie in Erinnerung. Und sie publizierte weitere Fotos, die Bürgerrechtler von damals und Footballer von heute zeigen – alle beim Niederknien.
The real shame & disrespect is that, decades after the 1st photo, racism STILL kills people & corrupts systems. #America #TakeAKnee @POTUS pic.twitter.com/tRues8mqaH
— Be A King (@BerniceKing) 23. September 2017
Seither sind in den sozialen Medien weitere Fotos von Pastor Luther King mit demselben Motiv aufgetaucht. Dieses steht gleichermassen für Beten und Protestieren. US-Medien erinnern an die machtvolle Protestpose, die über fünf Jahrzehnte später wieder die Gemüter erhitzt.
Und sie strecken die Faust
Die Bürgerrechtsbewegung erreichte in den 1960er-Jahren ihren Höhepunkt. Es war auch das Jahrzehnt, als sich Muhammad Ali weigerte, in den Vietnam-Krieg zu ziehen. Die Weigerung begründete er mit seiner religiösen Überzeugung und seiner grundsätzlichen Ablehnung dieses Krieges. Zudem stand der Box-Champion mittendrin in der Bürgerrechtsbewegung gegen die Unterdrückung der Schwarzen. Ali wollte sich nicht verheizen lassen für einen Staat, in dem «die sogenannten Neger-Menschen wie Hunde behandelt werden». Von Ali stammt der berühmte Satz: «Kein Vietcong hat mich jemals Nigger genannt.»
Berühmtheit erlangte auch die Protestaktion zweier anderer US-Sportler an den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt. Tommie Smith, Gewinner des 200-Meter-Laufs, senkte beim Abspielen der US-Nationalhymne anlässlich der Siegerehrung seinen Kopf und streckte seine mit einem schwarzen Handschuh bekleidete Faust in die Höhe. Der Drittplatzierte John Carlos, auch er Afroamerikaner, tat es ihm gleich. Dieser Black-Power-Gruss ist auch heute wieder zu sehen: Football-Spieler recken bei der Nationalhymne ihre Faust in die Höhe.
54 Jahre nach Martin Luther Kings «I have a dream»-Rede ist Rassendiskriminierung immer noch nicht aus der US-Gesellschaft verschwunden. Davon zeugt etwa das Engagement der Bewegung «Black Lives Matter» («Schwarze Leben zählen»). Afroamerikaner werden öfters Opfer von Polizeigewalt als Weisse, für dieselben Verbrechen werden sie härter bestraft. Ihre Lebenschancen sind insgesamt kleiner. Der frühere US-Präsident Obama sprach von einem «rassistischen Ungleichgewicht» in den USA.
«Die Narben und Makel des Rassismus sind noch tief in die amerikanische Gesellschaft eingebrannt», sagt John Lewis. Der demokratische Kongressabgeordnete und prominente Bürgerrechtler, inzwischen 77 Jahre alt, ist der letzte überlebende Redner des «Marsches auf Washington» von 1963, als Luther King seine berühmteste Rede hielt. Lewis wirft Trump vor, den Rassismus zu fördern. Und er verteidigt die niederknienden Football-Spieler: «Sie folgen einer langen Tradition und beziehen sich auf die Leader der Bürgerrechtsbewegung. Gegen Ungerechtigkeit zu protestieren, ist nichts Falsches.»
11 Kommentare zu «Von Kings Kniefall zu Trumps Zorn»
Martin Luther King war CIA und sein Mord ein Hoax.
Beweise? Oder mindestens halbwegs anhörbare Hinweise? Welche Quellen?
Rassimus ist nicht in Ordnug ,bei schwarz weis rot gelb …
Denke das es vorbilder gibt,jedoch alte traditonen in der Heutigen zeit oft ihren
glanz verlornen haben.Da die Technick, sich weiterentwikelt hat.
Die Menschen irren sich häufig, oftmals treffen Sie fehlentscheidungen.
Besser wird es nur, wenn die bedingungen für sämtliche Personen dieser Welt, die selben sind ( ohne Ausnahmen ).Der Polizei Gemeinde Kanton Bund Länder …
In den Jahren 2016 und 2017 ist in den USA also urplötzlich die Rassendiskriminierung ausgebrochen? Dabei werden 9 von 10 getöteten Afroamerikanern von anderen Afroamerikanern getötet, nicht von Kaukasiern.
Quelle?
@schneider: Treten sie den Gegenbeweis zu obiger Ausage mit Quallangabe an bevor sie diese Frage stellen. Es ist zu bequem nur diese Frage zu stellen!
Ich vermute, dass dies richtig ist, genauso wie vermutlich richtig ist, dass auch 9 von 10 vorsätzlich getöten weissen Amerikaner von Weissen getötet wurden. Vorsätzliche Tötungen (von Totschlag bis Mord) sind meistens Beziehungsdelikte, der Täter eines Tötungsdeliktes im nächsten persönlichen (nur ausnahmsweise geschäftlichen) Umfeld zu finden. Da es wenig gemischte Ehe gibt, gibt es wenig gemischte Morde.
Sie bringen hier ein gutes Beispiel, wie rassistische Aussagen propagiert werden. Vor allem Schwarze töten Schwarze, belegt diese mit negativer Wertung: Und darum gefällt Ihnen dies so, dass Sie es zitieren.
Rassisten sind überall.
Also, solange man beim heiraten bei seiner Rasse bleibt hat man grosse Chancen, falls man umgebracht wird, von jemandem der gleichen Rasse umgebracht zu werden. Wer darin Trost findet, wähle vorzugsweise Partner der eigenen Rasse.
Die Geschichte wird auf der Seite der Protestierenden und Nichkonformen sein, nicht auf der Seite der Angepassten und Opportunisten. Auch wenn sie sich Zeit lässt, sehr viel Zeit.
Habe mich schon gewundert, dass die BaZ so einen unprätentiösen Artikel bringt, aber der ist ja auch vom Tagesanzeiger. Danke TAGI!
M.F.
Das Problem des Rassismus ist nicht ohne das Klassenproblem zu verstehen. Es hat sich in den letzten paar Jahrzehnten eine schwarze Oberschicht herausgebildet, die genau so gleichgültig gegenüber dem Schicksal ihrer ärmeren „Brüdern“ und „Schwestern“ ist – Hauptsache die Herrschaften bleiben oben auf der Leiter. Am Sonntag in der Kirche / in der Sportarena oder am Martin Luther King-Tag trägt man dann schöne Reden / Gesten vor, die aber in den meisten Fällen nichts als nostalgische Lippenbekenntnisse sind.