
Was würden die Urväter bloss denken?
Die 1. August-Feier der Stadt Bern ist zwar recht niedlich, doch zielt eigentlich völlig an der Sache vorbei.
Der 1. August ist der einzige schweizweite Feiertag, bei dem man nicht bibelsicher sein muss, um seine Bedeutung zu verstehen. Es gibt jedoch Parallelen zu den religiösen Festtagen. Sie alle stützen sich auf eine Schrift. Beim 1. August ist es der Bundesbrief, beim Rest die schon erwähnte Bibel. Doch was steht eigentlich in diesem Bundesbrief? Etwa, dass man am 1. August jeweils eine Wurst auf den Grill schmeissen und nach Einbruch der Dunkelheit einen Zuckerstock entzünden soll? Bestimmt nicht. Deshalb sind die Berner Feierlichkeiten zum Geburtstag der Schweiz wohl überhaupt nicht im Sinne ihrer Erfinder.
Die originalen Eidgenossen waren grosse Fans der Todesstrafe. Zumindest haben sie diese im Bundesbrief gebilligt. Doch laut des offiziellen Festprogramms der Stadt Bern ist am 1. August nirgends eine Huldigung dieses Schweizerischen Urgesetzes geplant. Zwar wird eine Führung auf das Münster angeboten. Das kommt zwar einer körperlichen Tortur gleich, aber wirklich tödlich ist das nicht. Zudem gibt es bei der Turmmitte lebensbejahende Massnahmen in Form eines Defibrillators. Und das steht wohl ziemlich im Widerspruch zur urschweizerischen Einstellung zu Leben und Tod. Wer den Feiertag richtig würdigen will, unternimmt deswegen am Besten einen ausserkantonalen Ausflug ins Henker Museum in Sissach. Dort lassen «Fesseln, Folterinstrumente und Hinrichtungsutensilien» wahre patriotische Gefühle aufkommen.
Wie die Eidgenossen zur Abtreibung standen, wird im Bundesbrief leider nicht übermittelt. Doch die Stadt Bern geht wohl davon aus, dass die Vorfahren starke Pro-Leben-Ansichten vertreten haben. Denn Bern bietet am 1. August ein grosses Kinderprogramm. Was auffällt: Überall wird gebastelt. Und was wohl? Natürlich, Lampions! Die Entfremdung unserer modernen Gesellschaft weg von den traditionellen Werten lässt sich wohl nicht besser versinnbildlichen als mit dem Wandel vom Morgenstern zum Lampion.
Am 1. August brennt es überall. In den erwähnten Lampions, auf dem Gurten und selbst am Himmel. Es ist fraglich, ob so ein frivoler Umgang mit Feuer im Sinne der Gründungsväter war. Denn so ein Verhalten fördert doch nur die Entwicklung von künftigen Feuerteufeln. Und die Eidgenossen haben diese gehasst. Laut Bundesbrief wurden Brandstifter mit dem Entzug des Landrechts bestraft. Als mit Nationalstolz erfüllter Mensch stellen Sie sich also am besten in Begleitung eines Kübels Wasser an den Strassenrand, wenn der Lampionumzug um 21 Uhr beim Bärenpark startet.
Nur beim Feierbudget stellte die Stadt etwas Authentizität unter Beweis und erhöhte dieses – mehr ungefragt denn darum gebeten – um 10’000 Franken. Solche Ausflüge in Eigenregie atmen klar den 1291-Geist. Denn wie uns der Bundesbrief lehrt, soll jeder gemäss seinem Stand seinem Herrn dienen, was den Amtsinhabern demnach erlaubt, zu tun, was sie wollen. Wenn Sie jetzt verunsichert sind, welchem Stand Sie selber angehören, sollte Sie sich vor Feierbeginn unbedingt bei den Behörden melden.
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