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Das Krokodil war eine Ente

Aus dem Dählhölzli entflieht ein Pelikan, und in der Aare schwimmt ein Krokodil: Tiere sind das beste Füllmaterial fürs Sommerloch, wie ein Blick ins Archiv zeigt.

Er war eine Wohltat für ozongeplagte Netzhäute: Der mutige Pelikan, der am Dienstag aus dem Dählhölzli ausbrach und sich einen Spaziergang zwischen den Badegästen im Marzili gönnte. Im Nu hatte er nicht nur die Herzen der Badenden gewonnen, sondern auch die der Leser – innert Minuten erklomm er die «Meistgelesen»-Rubrik. Sommerloch halt, werden die Schreihälse jetzt einwenden und die Nase rümpfen. Die Skepsis ist aber vollkommen fehl am Platz. Verglichen mit anderen Storys, die ebenfalls als Spachtelmasse für das Sommerloch herhalten müssen, sind Tiere eine ungemein gehaltvolle Alternative für die Zeit während den grossen Ferien. Gerade, wenn sie in Konkurrenz zur Debatte über das Beinkleid von Gemeindeparlamentarierinnen stehen.

Der Pelikan hat noch einen weiteren Vorteil: Zahlreiches Bildmaterial beweist, dass es ihn wirklich gegeben hat. Bei anderen Tiergeschichten kann dies nicht behauptet werden. Das will nicht heissen, dass sie frei erfunden waren – es mangelte ihnen bloss an handfesten Beweisen. Hier die die schönsten Tiergeschichten aus der näheren und weiteren Umgebung:

3. Der schwarze Panther

In regelmässigen Abständen werden in Schweizer Wäldern – zuletzt 2012 im bernischen Thunstetten – schwarze Panther gesichtet. Trotz Fotofallen, Förstern mit Spürhunden und Haaranalysen konnten die Meldungen der Spaziergänger nie verifiziert werden. Was natürlich kein Medium daran hinderte, die Suche nach dem schwarzen Panther wochenlang zu bewirtschaften. Ihnen sei kein Vorwurf gemacht: Panthersichtungen sind ein weit verbreitetes Phänomen in Europa, so sehr, dass es dafür sogar Experten gibt. Wahrscheinlich wünscht sich der Mitteleuropäer einfach etwas mehr Exotik in den Mischwald. Ist jedenfalls weniger teuer, als Ferien in der Dominikanischen Republik zu buchen.

Förster auf Panthersuche. Quelle: bernerzeitung.ch

Förster auf Panthersuche. Quelle: bernerzeitung.ch

Der Bund berichtet über den Panther.

Der Bund berichtet über den Panther.

2. Der bissige Hecht

In Schwyz trieb dieses Jahr ein Hecht sein Unwesen. Zwar bezweifelten Fischer, dass ein Hecht Menschen angreifen würde. Doch nachdem ein Opfer an die Öffentlichkeit gelangt war, häuften sich die Meldungen über beisswütige Fische im Zürisee. Natürlich ist es nicht auszuschliessen, dass auch Fischen die Hundstage zusetzen. Dass in der Langeweile eines schwülen Nachmittags die Phantasie der Badegäste fantastische Blüten treibt, ebensowenig.

Der Hecht (Symbolbild). Quelle: tagesanzeiger.ch

Der Hecht (Symbolbild). Quelle: tagesanzeiger.ch

1. Das Krokodil in der Aare

Die beste Tiergeschichte handelt vom Krokodil in der Aare: Eine halbblinde Rentnerin namens Alice Supersaxo beteuert, ihr zum Assistenzhund ausgebildete Pudel sei an der Aare von einem Krokodil gefressen worden. In einer mehrwöchigen Serie wird die Suche nach dem Tier im «Bund» dokumentiert. Was für ein Gewese um ein Reptil – zumal das Krokodil nur eine Ente war. Es war lediglich das Hirngespinst der damaligen «Bund»-Regionalredaktion. Gerne wäre man dabeigewesen an jener Redaktionssitzung im Jahr 1997, bei der «Brennpunkt Krokodil» zur Sommerserie auserkoren wurde. Man engagierte eigens eine Schauspielerin, die in die Rolle der Alice Supersaxo schlüpfte und die wackeren Bund-Redaktoren machten sich bereitwillig zum Affen, als sie in Safarikluft die Krokodilexperten mimten.

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Diese Zeit haben wir heutzutage schlicht nicht mehr, leider. Der Pelikan kam uns deshalb gerade recht. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Man hätte den lustigen Vogel ja nicht sofort wieder einfangen müssen.

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 22. Juli 2015

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