
Brüste, Bizeps und ein Blumenstrauss
«Raus aus den Gummistiefeln rein in die High-Heels, Schluss mit Overall - jetzt gibts Glamour!» Der Bauernkalender will das Image des Berufsstandes verbessern – aber geht er das nicht ganz falsch an?
«Zu lange waren die Bäuerinnen und Bauern als stolze Berufsgruppe vernachlässigt gewesen. Dabei, was würden wir ohne sie tun? Ihre Arbeit besteht in der Umwandlung von Sonnenenergie, damit wir etwas zu essen kriegen. Und dennoch werden sie von links und rechts und von überall immer nur angegriffen. Zeit, etwas zur Imageverbesserung zu machen.»
Wahrlich hehre Worte sind das. Wer würde da widersprechen wollen? Es sind aber nicht Worte einer vom Bauernverband engagierten PR-Agentur. Geschrieben sind diese Sätze auf bauernkalender.ch.
Da setzt man schon seit ein paar Jahren nicht etwa auf eine ausgeklügelte Kommunikationsoffensive. Um das Vertrauen wachsen zu lassen, reichen einfachere Mittel: «Brüste, Bizeps und ein Blumenstrauss», verspricht der Bauernkalender 2016. «Stefan Söll, einen der bekanntesten Mädchenfotografen Europas» haben die Bauern diesmal angeheuert, um die falschen Bilder des Berufstandes in den Köpfen der ignoranten Städter auszumisten.
«Die Bauernschaft leidet immer noch unter dem Vorurteil, dass sie eher konservativ und verklemmt ist.» Das ist natürlich komplett falsch, denn «in der Realität ist das Landvolk nun mal eher aufgeschlossen, innovativ und zeitweise sogar sehr unorthodox.» Wie liesse sich sowas besser beweisen als mit einem Kalender voller aufgeschlossener Damen, innovativer Männer mit nackten Oberkörpern und Bäuerinnen in freimütigen Posen. «Raus aus den Gummistiefeln rein in die High-Heels, Schluss mit Overall – jetzt gibts Glamour!».
Sie glauben, das sei alles Mumpitz? Etwas Haut zu zeigen, reiche noch lange nicht? Täuschen Sie sich nicht: «Tatsächlich hilft der Bauernkalender seit Jahren, das Image der Landwirtschaft zu verbessern. Das Ergebnis: Die Zahl der Jungen, die einen Beruf auf dem Land wählen, steigt.» Wie das funktioniert? «Es mag drei Gründe für das grosse Echo geben: Der Kalender bricht mit dem Tabu der bodenständigen Bäuerin, zudem sind Bäuerinnen als romantische Projektionsflächen eine lange vernachlässigte Gruppe, und letztlich bedient der Kalender Sehnsüchte nach einer heilen Welt.»
Abgesehen vom etwas rätselhaften «Tabu der bodenständigen Bäuerin»: Ist das nicht ein gefährlicher Ansatz? Wenn jetzt Herden von Städtern und Städterinnen auf die Bauernhöfe und in die Landwirtschaftsschulen pilgern: Haben sie dann nicht völlig falsche Vorstellungen vom Landleben? Und sowieso, was sucht denn der Städter, wenn er das Bauernbild romantisiert? Negligées, Ed-Hardy-Hosen, modische Halstüchlein? Sind es nicht gerade eben Overall und Gummistiefel, das «etwas mit den Händen machen» und der scharfe Stallgeruch, welche die büro- und partygeplagten Hipster auf die Alp ziehen lassen?
Aber genug räsoniert, natürlich wollen Sie Bilder sehen. Unten die Berner und Bernerinnen, die es in den Kalender 2016 geschafft haben. Doch, eigentlich sehen sie ganz sympathisch aus: «Sie sind so stolz auf ihren Beruf und auf ihre Herkunft und das sieht man am Flackern in ihren Augen. Profimodels können da manchmal ziemlich lustlos dreinschauen», wie der Fotograf selbst sagt.
Anja
Dilan
Johann
Lisa
Marcel
Reto
Ueli
Dumm nur, wenn da ein ambitionierter Fotograf hinter der Kamera steht und seine tollen Bildideen umsetzt. Damit Sie sich auch vorstellen können, was denn mit diesen «Girls» und «Boys» am Ende angestellt wird: So sehen die Berner Models im Kalender 2015 aus. Da möchte man doch tatsächlich gleich zum Küchenmesser, dem Blumenkessel, dem Nudelholz oder dem Jagdgewehr greifen – nur um mitzuarbeiten, versteht sich.
Fabian, 30, Kallnach. Milchproduzent, Landmaschninenmechaniker.
Vanessa, 19, Biel. Pferdefachfrau in Ausbildung
Pascal, 27, Uettligen. Landwirt.
Anja, 21, Linden. Bäuerin.
Stefan, 26, Busswil. Landmaschinenmechaniker.
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