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Das «Maroni-Geheimnis»

Der Hauptstädter ist ausgezogen, um ein ungeschminktes Maroni-Ranking der Stadt Bern zu erstellen – und ist kläglich gescheitert. Trotzdem haben wir uns dem Geheimnis der Kastanienfrucht genähert.

Maroni schmecken gut? Logisch. Sie sind nährstoffreich und voll mit Vitamin C? Geschenkt! Das wussten Sie doch schon alles. Doch wo gibt es die besten zu kaufen? Sechs Stände verkaufen in der Innenstadt die geröstete Köstlichkeit. Um uns dem Geheimnis der Kastanienfrucht anzunähern, führen wir einen Test durch. Wir fressen uns durch fünf Stände. Ein Stand, der nicht besetzt ist, wird ausgelassen. An jedem anderen Stand kaufen wir 100 Gramm. Bestechungsversuche erkennen wir gekonnt: Geschenkte Tütchen werden lächelnd abgelehnt.

Beim Test wird von vornherein auf Genauigkeit à la Kassensturz verzichtet und wir sind uns bewusst, dass wir hier nur einzelne Stichproben vergleichen – ohne Anspruch auf Schmezer’sche Objektivität oder Vollständigkeit.

Also los: Welches sind die AAA-Stände, welches die Griechen der Maroni-Szene? Wer ist der beste Maroni-Röster der Stadt? Und wo ist das «Brot der Armen» ungeniessbar? Doch es sei vorweggenommen: Die Sache mit den Maroni erweist sich als weniger einfach, als ursprünglich angenommen. Denn die Berner «Maroni!»-Schreier lassen sich nicht in eine einfache Tabelle zwängen.

Kategorie 1: Die Temperatur – Wie heiss sind die Maroni?
Wer jetzt an die «Heissi Maroni»-Rufe denkt, liegt gänzlich falsch. «Das ist ein Märchen», erklärt der legendäre Verkäufer vom Bärenplatz, Fritz Bleuer. Nicht zu heiss, nicht zu kalt sollen die Maroni sein. «Ansonsten verbrennt man sich ja die Zunge und kann die Maroni gar nicht geniessen.» In der Tat sind die meisten Maroni in unserem Test eher lauwarm, sprich im optimalen Temperaturbereich. Einen kleinen Abzugspunkt gibt es aber für den Stand am Zytologge, hier waren die Maroni zu heiss.

Kategorie 2: Die Herkunft – Woher kommen die Maroni?
Die Herkunft entpuppt sich als schlechtes Unterscheidungsmerkmal: Drei Importeure beliefern die Stadtberner Stände. Gysi & Strazzini AG ist der Branchenleader der Schweiz, Bulloni AG der Platzhirsch in Bern und ein Stand bezieht seine Ware bei Tricolore SA. Alle Kastanien kommen aus Italien, zumindest jetzt noch. Denn die Produzenten in Italien beklagen massive Ernteausfälle. Einen kleinen Pluspunkt erhält Fritz Bleuer am Bärenplatz: Seine Maroni aus dem Val Sousa sind eine Spezialität.

Kategorie 3: Der Röstgrad und die Faulen – Wie viele verkohlte oder faule Exemplare sind in der Tüte zu finden?
Die meisten Maroni in unserem Test sind schön gleichmässig angeröstet, nur wenige sind faul. Klar, hie und da findet sich ein gänzlich verkohltes Exemplar. «Aber ein paar Verkohlte gehören einfach dazu», sagt Bleuer. «Genauso kommt auch ab und zu ein Wurm in die Maroni – es ist ja auch ein Naturprodukt.» Es sei wie beim Menschen: «Bei jedem Zehnten ist der Wurm drinn», sagt Bleuer und lacht. Also wieder kein Sieger.

Kategorie 4: Die Farbe – Welche Farbe haben die Maroni innen?
«Dass die Maroni gut sind, sieht man an ihrer Farbe. Buttergelb müssen sie sein. Hellgelbe sind nicht genug geröstet», sagt unser nicht ganz unabhängiger Experte. Bezüglich der Farbe erhalten die Stände am Bärenplatz und am Neuengassaufgang Pluspunkte.

Kategorie 5: Der Schnitt – Wie sind die Maroni geschnitten?
Die Maroni richtig zu schneiden ist eine Kunst: Nicht zu wenig, sonst bringt man sie nicht auf. Und nicht zu tief, sonst brechen sie beim Aufklauben in zwei Teile. Bei diesem Punkt müssen wir den beiden Ständen beim Baldachin Abzüge machen: Zu viele halbe Maroni wollen sich nicht aus ihren Schalen kratzen lassen. Pluspunkte gibt es für die Stände beim Zytglogge und am Bärenplatz, wo die Maroni nicht mit einer Maschine, sondern mit dem Japanmesser von Hand geschnitten werden.

Kategorie 6: Der Geschmack
«Die besten Maroni schmecken etwas nach Caramel, sie sollten nicht zu süss und ihre Konsistenz crémig sein», lassen wir uns von Bleuer instruieren. Schon wollen wir Punkte verteilen, als uns Bleuer belehrt: «Die geschmacklichen Vorlieben ändern mit jedem Kunden und der Geschmack ändert zudem mit jeder Sorte, der Herkunft, manchmal sogar von Sack zu Sack». Tatsächlich: Beim Stand am Zytglogge versuchen wir zuerst eine Maroni, die zehn Minuten im Behälter lag und fünf Minuten später eine, die direkt aus der Röstpfanne kommt. Welten liegen zwischen den beiden Maroni – und das am gleichen Stand. Der Zytglogge-Stand hat zur Spitzengruppe Neuengass-Bärenplatz aufgeschlossen.

Kategorie 7: Der Preis – Wie teuer sind die Maroni?
Bleiben uns zum Schluss also die «hard facts», die Preise. Überall zahlen wir 3.50 Franken für die hundert Gramm. Einzig beim Stand an der Neuengasse kosten die Maroni weniger. Die Runde geht an die Neuengasse.

Und so bleibt eine finale Rangliste aus. Zu eng liegen die Maroni-Stände bezüglich Qualität oder Verarbeitung beieinander, zu variabel sind zudem die Vorlieben. Der Maroni-Genuss-Index liegt aber überall im oberen Bereich. Aus unserem Unterbewusstsein meldet sich das subjektive Gefühl, dass der Sieg an den Bärenplatz geht, dicht gefolgt von der Neuengasse und dem Zytglogge. Dies nicht zuletzt auch der spannenden Geschichten wegen, die wir an diesen Ständen zu hören bekommen haben.

Und noch etwas, bevor Sie am Stand ihres Vertrauens Ihr neu gewonnenes Wissen testen. Maroni ist nicht gleich Winter: Wenn die Bäume ihre Blätter verlieren und die Lärchen zu rosten beginnen, dann ist die Zeit der Maroni angebrochen. Wenn der Schnee kommt, ist die Maroni-Zeit vorbei. Sie sollten sich also sputen.

Links:
Beim Schneiden

«Heissi Maroni!»

Publiziert am 7. November 2012

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