
In der Bürowüste
Manhattan hat eine, London auch, in Zürich-West entsteht sie gerade. Jetzt baut sich auch Bern eine eigene Bürostadt. Ein Besuch in der Wankdorf-City.
Obwohl im internationalen Vergleich ziemlich bescheiden, ist Zürich sehr stolz auf den Prime Tower. Flaniert man durch Bern, muss man zugeben, dass die Freude am Turm doch recht nachvollziehbar ist. Denn Freunde des Wolkenkratzers kommen in Bern nach wie vor nicht wirklich auf ihre Kosten. Das grösste Hochhaus Berns ist immer noch der Münsterturm.
Dafür steht in der Wankdorf City schon mal die grösste Bahnhofsuhr der Welt. Dies nicht ohne Zufall, dient sie doch gewissermassen als grosses Aushängeschild des dahinter liegenden, neu gebauten und im August eröffneten SBB-Hauptsitzes.
Zur Zeit steht dieser noch etwas verloren auf der früheren Industriebrache. Bis zum Einzug der Post im Gebäude nebenan ist die SBB Erstmieterin auf dem Gelände. Fühlt man sich da nicht einsam? “Nein”, meint Herr Ginsig, Mediensprecher der SBB auf der privaten Hausführung. Trotz anfänglicher Skepsis habe man bisher von den Mitarbeitenden sehr positive Feedbacks erhalten.
Der Gang durch die sieben Stockwerke zeigt: Sehen die beiden Gebäude von aussen ziemlich massiv und abweisend aus, bietet sich innen ein völlig anderes Bild. Viel Holz, warme Farben und unterschiedliche Raumformen: Das klaustrophobische Grossraumbüro, wie es etwa in American Beauty gezeigt wird, sucht man hier vergebens.
Stattdessen locken zahlreiche Kaffee-Ecken als mögliche Meeting-Orte. Was angesichts des Desk-Sharings sogar angestrebt wird – nicht einmal CEO Andreas Meyer besitzt ein eigenes Büro. Auf 1800 Mitarbeiter kommen 1400 Arbeitsplätze, somit ist ein flexibles Ausweichen Notwendigkeit.
Buchstäblicher Höhepunkt der Hausführung ist dann der Besuch der Dachterasse. Hier riecht es sogar plötzlich ein wenig nach Grossstadt. Der Blick erstreckt sich über die Geleise des S-Bahnhofs Wankdorf über das Feusi-Betongebäude und die Dächer der Stadt bis zu den Alpen.
Während der Blick über die Dächer streift und Ginsig all die geplanten Neubauten auf der Wankdorf-City in die Luft zeichnet, verspürt man doch plötzlich so etwas wie Vorfreude. Von oben sieht die sonst so dicht wirkende Stadt plötzlich weit aus und die Freiflächen wirken zahlreich. Was den Schluss nahe legt, dass hier eigentlich noch ganz viele Wolkenkratzer hinpassen würden – insbesondere solche, die auch nach Büroschluss noch belebt wären.
Bis diese stehen, wird aber wohl noch sehr viel Zeit vergehen. Diese wird dafür dann immerhin, sozusagen als Trost, auf der grössten Bahnhofsuhr der Welt angezeigt.
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