So heftig feilscht die EU um Börsenregeln

Gleich lange Spiesse? EU-Politiker haben angedroht, die Gleichwertigkeit der Schweizer Börsenregulierung nur für ein Jahr anzuerkennen. Foto: Keystone

Ich habe 270’000 Franken in Dividenden-Perlen wie BC Vaud, Helvetia Holding, Nestlé, Partners Group, Roche, Schweiter, Swiss Life, Swisscom investiert. Was passiert mit der Schweizer Börse SIX, wenn die EU die Äquivalenzanerkennung nicht mehr gewährleisten würde? Wäre es in diesem Fall besser, alle meine Aktien zu verkaufen? M.M.

Nein, ich sehe keinen Grund, warum Sie wegen der infrage gestellten Börsenäquivalenz gleich all Ihre Aktien abstossen sollten.

Bei der Frage rund um die Äquivalenzanerkennung geht es um einen politischen Streit zwischen der EU und der Schweiz. Die EU versucht, die Schweiz zu erpressen und ein Rahmenabkommen zu erzwingen. Die EU-Politiker haben angedroht, die Gleichwertigkeit der Schweizer Börsenregulierung nur für ein Jahr anzuerkennen.

Diese Börsenäquivalenz ist für die Schweizer Börse allerdings von hoher Bedeutung, da ein grosser Teil des hierzulande an der Börse getätigten Handelsvolumens aus der EU kommt. Konkret entfällt rund die Hälfte des Handelsvolumens an der Schweizer Börse auf Investoren und Finanzinstitute aus dem EU-Raum.

Falls die EU unsere Börsenregeln nicht anerkennen würde, dürfte die Schweizer Börse einen Teil ihres Handelsvolumens verlieren. Gemäss den neuen EU-Finanzmarktvorschriften dürfen Banken aus dem EU-Raum Wertpapiere wie Aktien nur noch an Börsen aus Drittstaaten wie der Schweiz handeln, wenn die Aufsichtsregeln der Drittstaaten jenen der EU entsprechen. Die Interpretation, ob diese Aufsichtsregeln wirklich jenen der EU entsprechen oder nicht, ist letztlich rein politisch.

Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX rechnet damit, dass Sie bei einer Verweigerung der Anerkennung der Börsenäquivalenz durch die EU über 400 Milliarden Franken an Börsengeschäften verlieren würde. Dies hätte zur Folge, dass der Gewinn der SIX Group einbrechen würde und allenfalls sogar Arbeitsplätze in Gefahr wären.

Für Sie als Anleger wäre eine andere Konsequenz spürbar: Der Handel in einigen Aktien könnte eine geringere Liquidität aufweisen als heute, und die An- und Verkaufspreise würden unter Umständen mehr auseinanderliegen. Davon betroffen wären meines Erachtens vor allem die grosskapitalisierten Gesellschaften aus dem Swiss-Market-Index wie Nestlé, Novartis, Roche, die von Investoren aus dem EU-Raum intensiv gehandelt werden. Kleinere Titel wie die von Ihnen ebenfalls gehaltenen Banque Cantonale Vaudoise, Schweiter, Helvetia oder Partners Group wären wohl weniger betroffenen.

Eine geringere Liquidität wäre zwar in der Tat ein Nachteil. Es bedeutet aber keinesfalls, dass die Kurse der Schweizer Aktien deswegen einbrechen würden. Dazu kommt, dass ein Verzicht der Börsenäquivalenz durch die EU noch keinesfalls sicher ist. Momentan sehen wir ein politisches Feilschen, bei dem es noch einige überraschende Wendungen geben dürfte.

Daher sehe ich keinen Grund, mit dem Argument der infrage gestellten Börsenäquivalenz die Aktien zu verkaufen. Auch in diesem Fall trifft das alte Börsensprichwort zu: Politische Börsen haben kurze Beine.

10 Kommentare zu «So heftig feilscht die EU um Börsenregeln»

  • Nicolas sagt:

    Die grösste Börse der EU ist London… wenn man Erpressern nachgibt hören die Erpressungen irgendwann von selber auf…
    Man kann auch an den Storch glauben…

  • Charlotte sagt:

    Dann soll die Schweiz ihren Aktien- und Währungshandel an EU Börsen rausnehmen. Sollen sie sich ein anderer „sicherer Hafen“ suchen. Diesen Erpressungen und Drohungen seitens der EU muss ein Riegel geschoben werden. Anfangen können wir mit einer Schienenpflicht für alle EU LKWs, rigerose Ausweisung von allen PFZler in der Soz., etc.

  • Anh Toàn sagt:

    Wenn die SIX die Anerkennung der Gleichwertigkeit verliert, macht es keinen Sinn für Nestle, Novartis und Co., an der SIX kotiert zu sein: Der grösste Teil der Aktionäre ist ohnehin im Ausland. Aber deswegen verlieren deren Aktien keinen Wert, sie müssen die dann halt über einen ausländischen Börsenplatz verkaufen, kostet etwas mehr Spesen (nicht weil der ausländische Börsenplatz teurer ist, aber weil Ihre Bank Sie besser abzocken kann).

  • Anh Toàn sagt:

    „Erpressung“ hat etwas mit Widerrechtlichkeit von Mittel und/oder Ziel oder der widerrechtlichen Verknüpfung von beidem zu tun. „Geld oder Leben“ ist wörtlich verstanden Erpressung. Es ist Raub, weil gemeint ist, nur Geld oder Leben und Geld. Was die EU macht, ist keine Erpressung, weder das Mittel noch der Zweck sind widerrechtlich, auch nicht in deren Verknüpfung kann Widerrechtlichkeit gefunden werden. Das dürfen die.

    • Anh Toàn sagt:

      Betreffend Äquivalenzregeln wäre z.B. zu prüfen, ob im Sika Fall nicht der Kapitalmehrheit beim Verkauf der Stimmenmehrheit ein Angebot hätte gemacht werden müssen. In der bösen EU könnte dies durchaus sein, in der guten Schweiz waren die PK’s und Kleinanleger halt die Dummen.

  • Kurt Seiler sagt:

    Es ist mir völlig egal, ob ich Nestle an der SIX oder in Frankfurt oder London kaufen muss.
    Wie angedeutet sind die Courtagen für das Ausland noch höher als hier.
    Obwohl man auch für die SIX von ALLEN hiesigen Banken schön gemolken wurde.
    Insofern ist es auch mir völlig egal wenn es die immer noch aufgeblasene Finanzindustrie treffen würde.

    • Thomas sagt:

      Genau Herr Seiler, der Schweiz würde es gut anstehen, das Casinogewerbe kontrolliert zurückzufahren und ehrliche Wirtschaftszweige zu fördern, die der gesamten Gesellschaft und nicht nur einigen krawattierten Paradeplatzkriminellen dienen.

      • Arthur Schmid sagt:

        Ziemlich dummer Kommentar. Was glauben Sie wo Zb.Ihre und unsere PK gelder angelegt sind. Ist dies alles Casino gewerbe?

      • Thomas sagt:

        Nun Herr Schmid, zu grosse Dollarzeichen in den Augen verengen den Blick auf wesentlichere Aspekte des Lebens.
        Man könnte auch noch etwas weiter denken und zum Schluss kommen, dass das BVG genau deshalb eine Fehlkonstruktion ist, weil es dem Casinogewerbe zudient, leider zudienen muss.

  • Martin Leu sagt:

    Herr Spieler erwähnt einen zu befürchtenden Rückgang der Liquidität an der Schweizer Börse. Dabei muss man sich bewusst sein, dass diese auch jetzt schon lächerlich klein ist. An der ganzen SIX werden durchschnittlich 7.9 Mia CHF/d umgesetzt. Dies wird allein nur schon durch die Aktie von Amazon mit 8.4 Mia USD/d übertroffen.
    Auch die Deutsche Börse ist mit einem Umsatz von ca. 10 Mia EUR/d nur unwesentlich grösser und damit ein Leichtgewicht. Die London Stock Exchange kommt als grösste Europäische Börse immerhin auf 476 Mia USD/d, ist aber immer noch weit entfernt von der NYSE mit 3327 Mia USD/d oder der NASDAQ mit 2600 Mia USD/d.

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