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Geheimtipp TrientDiese Stadt ist viel zu schön, um daran vorbeizu­fahren

Trients Zentrum fehlt vieles, was andernorts nervt: Abfall, Zigarettenstummel, Touristenläden und Verkehrslärm.

Hat man sich erst einmal genug über die fantastische Lage gefreut zwischen Bergketten und diesem Grün, das hier am Ende der Alpen plötzlich mediterran wird, kann es passieren, dass als Nächstes vor allem auffällt, was dem Zentrum Trients fehlt. Verkehrslärm etwa. Zigistummel und Abfall auf der Strasse. Schlüsselanhängershops und Reisecars und Touristenfallen-Restaurants. Überhaupt Hektik und Aufdringlichkeit. Andererseits fehlen natürlich die Architektur- und Kunstschätze, welche die Menschen nach Venedig, Florenz, Rom zieht.

Selbst wenn zweieinhalb Jahrhunderte später viele Besucher mit «Trento» eher ungenutzte Autobahn­ausfahrten als ein Sehnsuchts­ziel verbinden – wer den Charme italienischer Städte im kleinen Massstab und ohne Massen geniessen will, ist hier richtig.

Ein ruhiges Pflaster

In Sachen Lebensqualität und Nachhaltigkeit hat Trient umso mehr zu bieten, wie nationale Rankings zeigen, auf denen es seit Jahren Spitzenplätze belegt und Italiens Touristenmagneten weit abhängt. Wer aus dem Lärm einer Grossstadt anreist, merkt in der verkehrsberuhigten Altstadt rasch, wie das Gehen zum Schlendern wird. Saubere Luft, funktionierender ÖV, gutes Abfallmanagement, alles kleine Dinge, die einen auf Anhieb nicht umhauen, aber ihre Wirkung tun.

Der barocke Neptunbrunnen auf dem Domplatz von Trient wurde zwischen 1767 und 1769 erbaut.

Zwischen sorgsam gepflegten Miniparks wie dem Giardino pubblico San Marco sind die historischen Gassen und Plätze Trients ein ruhiges Pflaster. Gemütliche Lokale bieten Spezialitäten wie den Trentodoc, den regionalen Spumante, der gern anstelle des ewigen Proseccos ausgeschenkt wird. Herumhetzen à la Das-wollten-wir-doch-auch-noch-Sehen muss eh nicht sein, man kann sich überraschen lassen.

Denn natürlich haben auch in Trient Antike, Mittelalter, Renaissance, Moderne ihre Spuren hinterlassen. Die Geschichten dazu weiss Martin Rossi zu erzählen – in ebenso fliessendem Italienisch wie Deutsch, je nach Situation. Der 52-jährige Stadtführer ist in einem Dorf direkt an der Sprachgrenze aufgewachsen, und wer mit ihm durch Trient spaziert, bekommt ein Gefühl dafür, wie sehr die spezielle Lage dieses bis heute prägt.

Der Stadtführer Martin Rossi spricht auch Deutsch, was früher die Sprache der Macht gewesen sei.

Diejenigen Gäste, die gerade den Brenner überquert haben, hängen womöglich gedanklich noch in Südtirol oder sind wild entschlossen, dass hier nun bitte schön Bella Italia zu beginnen habe, und zwar pronto. Doch es ist ein Ort der Übergänge, den Rossi zeigt, «schon in Rovereto herrscht wieder eine ganz andere Mentalität».

Das Trentino, offiziell die Autonome Provinz Trient, bildet zwar heute mit Südtirol eine Region, doch die Wahrnehmung von Nord und Süd, Deutsch und Italienisch unterscheidet sich sehr, ist geprägt durch eine jahrhundertelange Geschichte von Konflikt und Armut. «Deutsch war im Trentino die Sprache der Macht», sagt Rossi, bis zum Ende des Habsburger Reichs.

«Etwas verloren und etwas gewonnen»

In der Renaissance etwa entstand die sogenannte città dipinta, die bemalte Stadt, mit prächtigen Fassadenfresken. Das Konzil zwischen 1545 und 1563 verschaffte der Stadt immerhin vorübergehende Bedeutung für die Welt. Danach lebten wieder nur ein paar Tausend Menschen um die riesige Kathedrale und den Sitz der Fürstbischöfe herum – heute die beiden grössten Sehenswürdigkeiten.

Der zweite Boom kam erst zu Mussolinis Zeit. Diese wiederum brachte Trient eine unerwartete Entdeckung: Ausgerechnet die Zerstörung mittelalterlicher Gebäude für ein Bauprojekt der Faschisten förderte zufällig die Reste des antiken Tridentum ans Licht. So habe man «etwas verloren und etwas gewonnen», sagt Rossi.

Zwischen Bergketten und einem Grün, das hier am Ende der Alpen mediterran wird.

Heute bauen die betuchten Trienter ihre Heime auf den luftigen Hügeln, «unser Beverly Hills», sagt Rossi mit einem Grinsen. Grossartige Blickachsen gibt es aber nicht nur von den Villen in Hanglage aus, sondern gratis für alle, überall. Der Mix aus Urbanität und Landschaft macht Trient zu einer Stadt, die zur Natur gehört, diese nicht aussperrt.

Sein jüngstes Wahrzeichen bekam Trient vor genau zehn Jahren. Auf einem verwaisten Fabrikgelände, auf dem früher Michelin-Reifen hergestellt wurden, eröffnete 2013 das Muse, das Museum für Wissenschaft, gebaut nach Plänen von Renzo Piano.

Hell, mit einer Panoramadachterrasse und umgeben von Lehrgärten voller Obstbäume und Blumen – so sieht das Museum für Wissenschaften aus.

Schon der Bau nimmt für sich ein. Viele der Exponate im Inneren stammen aus dem alten Naturkundemuseum, doch das heutige Konzept weist weit über Vitrinen und Schautafeln hinaus. Die durchlässige Architektur hänge direkt mit der Idee transparenter Wissenschaft zusammen, sagt Antonia Caola, Leiterin der Kommunikation des Muse.

Freude und Leichtigkeit soll den Besuch des Hauses prägen. Tatsächlich zeigen die zahlreichen Besucher im Schulalter: Geflüstert wird woanders, besser die interaktiven Exponate ausprobieren, lachen, Naturgesetze mit kleinen Experimenten testen.

Die Berge sind Leitmotiv

Der Komplex bezieht sich in seinem Aufbau auf die umliegende alpine Welt, die Hauptausstellung führt vom vierten Stock aus von den Gletschern und Berggipfeln hinunter in immer tiefere Lagen und zugleich langsam durch die Erdgeschichte. Grenzen überwinden, Zusammenhänge aufzeigen: Diese Versprechen löst das Muse mit vielen kreativen Mitteln ein.

Nur dass das gleichzeitig entstandene Neubauquartier Le Albere nebenan recht kläglich floppte – zu teuer, zu ungewohnt –, stört das Bild. Ganze Strassenzüge liegen da in Bestlage seltsam verlassen, viel Leerstand in Ladenzeilen wie in Wohnetagen.

Die Kathedrale und der Sitz der Fürstbischöfe sind die beiden grössten Sehenswürdigkeiten.

Aber wozu auch hierherziehen, wenn es diese Altstadt gibt. Es muss wundervoll sein, dort zu leben, oder? «Schon, aber ganz ehrlich, eigentlich träume ich vom Meer», sagt Veronica Vianini. Allerdings muss sie dabei selbst lachen. Die Kunsthandwerkerin hat gerade durch ihr Atelier geführt, in dem sie mit Porzellan arbeitet, ihre Unikate verkauft und wohnt.

Ein Designparadies im dritten Stock eines historischen Palazzo, durch die offenen Fenster dringt von allen Seiten Vogelgezwitscher und Licht. Und die grossartige Aussicht auf Altstadtdächer und Gipfel hatte die Besucherin zur Frage verleitet, ob die besondere Landschaft Trients denn auch besonders inspiriere.

Veronica Vianini lädt zu kleinen Workshops und Veranstaltungen, beliefert teils besternte Restaurants im In- und Ausland.

Das Meer also, das fehlt, und auch sonst müsse man Trient nicht verklären, findet Vianini. Als kreativer Mensch habe man es hier nicht unbedingt leicht, die Trienter seien eher zurückhaltend und konservativ. Aber sie erzählt mit so viel Energie und guter Laune, dass selbst das wie ein Kompliment klingt. «Als ich die Idee mit dem zugänglichen Wohnatelier hatte, haben mich die Leute angesehen, als wäre ich verrückt», erinnert sich Vianini.

Und doch: Mittlerweile ist sie genau in dieser Stadt damit erfolgreich. «Warst du eigentlich schon in der Via San Martino?», fragt sie zum Abschied. Ein paar Gehminuten vom Castello del Buonconsiglio entfernt, lässt sich dort auf einer Terrasse in der autofreien Gasse das alternative Trient beobachten. Gut gelaunte, tätowierte Eltern gönnen sich zum Wochenendstart um 16 Uhr ein, zwei Gläser Wein, während sie sich die Zeichnungen ihrer Kinder zeigen lassen.

Wenn das Leben schon anstrengend genug ist, dann ist ein Ort wie Trient wie eine Verschnaufpause.

Studierende schlendern vorbei, immerhin hat Trient 16’000 von ihnen. Eine blondierte Rentnerin, deren neonpinke Brille Ton in Ton mit ihrer Handtasche leuchtet, betrachtet die Auslage eines Buchladens, aus der Kneipe El Barrio dringt spanische Gitarrenmusik auf die Strasse.

Nichts an diesem Moment ist spektakulär, aber gerade das hat längst zu einem Wohlgefühl geführt, das man auf Städtereise erst einmal erreichen muss. Wenn das Leben schon anstrengend genug ist, dann ist ein Ort wie Trient wie eine Verschnaufpause.

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