Nenn es Give-away, nenn es Wurscht-Rädli

“Wettsch no es Rädli Wurscht?” aus dem Mund von Herrn Buchmüller war der Lieblingssatz meiner Kindheit. Er sagte es furchteinflössend trocken. Das erwartbare “Ja” schaffte es nur gestammelt aus meinem Mund. Meist gab es eine gerollte Tranche Lyonerwurst. Sie schmeckte fantastisch.

Seit ich mich öfters auf dem Markt herumtreibe, erinnere ich mich immer wieder an den Metzgermeister: dann, wenn mir etwas geschenkt wird – und das passiert auf dem Markt dauernd. Besonders die alten Marktfrauen an den Gemüseständen scheinen nur darauf zu warten, nach Abwicklung des Handels mit einem mütterlichen Lächeln ihr Extra zu zücken.

märitstand

Rüebli, Rüebli, Rüebli

Die jüngste Ausbeute: Nach dem Kauf einer Tüte Gravensteiner erhalte ich eine Zwetschge mit der Bemerkung “Hmm, die sind fein jetzt”. Beim nächsten Stand gibts für einen Bund Rüebli von der gar nicht mal so alten Marktfrau einen Apfel (Gravensteiner). Schliesslich kaufe ich einen Bund Bohnen und erhalte dafür ein Rüebli geschenkt. 

Extravitamine überall. Wie ist das jetzt gemeint? Hinterlasse ich einen so ungesunden Eindruck? Haben die Märitleute ein schlechtes Gewissen wegen der hohen Preise oder bringen sie die Ware nicht los? Nein, nein, ist die Antwort nach eingehender Beobachtung des Phänomens. Es ist ein Ritual, für das man auch langes Warten in Kauf nimmt. Die Urform der Kundenbindung, aus der Zeit, als es noch keine Give-aways gab. Sondern ein Rädli Wurst.

Nur ein Stück Wurst ist mir nie angeboten worden. Es wäre dann doch etwas demütigend.

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