Rot-Grün mag es weiss

Ich war nie Teil eines Verbrechersyndikats. Deswegen weiss ich relativ wenig darüber, wie ein solches funktioniert. Ich habe keine Ahnung, wie viel Ferienwochen organisierten Kriminellen jährlich zustehen, und bin mir nicht sicher, ob es Dinge wie Berufsunfallversicherung auch in der Unterwelt gibt. Um mir alle Optionen meiner beruflichen Laufbahn offenzuhalten, bin ich deshalb immer froh, mein verbrecherisches Nichtwissen mindern zu können. Glücklicherweise war die Lektüre dieser Zeitung in den letzten Tagen sehr karrierefördernd. Praktisch täglich wurden mir tiefe Einblicke in die aufregende Welt des Kokainhandels gewährt.
Ich will mich keineswegs über die Entlöhnung beschweren, die ich für diesen Text erhalte. Aber hätte ich den daraus entstandenen Zeitaufwand in den Import von Kokain investiert, wären meine monetären Möglichkeiten bedeutend grösser. Denn mit Kokain lässt sich gutes Geld verdienen. Dies nicht zuletzt, weil der Kundenstamm nicht nur sehr loyal ist, sondern nach Einschätzungen der UNO weltweit immer noch wächst. Hierzulande gibt es laut Schätzungen der Stiftung Sucht Schweiz 150’000 Konsumenten, die sich täglich 13,7 Kilo Koks in die Birne ballern.
Nun ist es so, dass sich die Schweizer Städte, in denen am meisten Kokain konsumiert wird, eine interessante Auffälligkeit teilen: Sie sind alle rot-grün regiert. Aufgrund der Konsumentenzahlen und der politischen Vorlieben der geografischen Ballungszentren des Verkaufs ist es also sehr wahrscheinlich, dass eine gewisse Überschneidung zwischen Rot-Grün-Wählern und Kokainkonsumenten besteht. Das dürfte den moralischen Kompass dieser Schnittmenge gewaltig zum Rotieren bringen. Denn Kokain ist sozusagen der Blutdiamant der illegalen Aufputschmittel.
Kokain wird aus den Blättern des Kokastrauchs gewonnen, der im luftfeuchten Klima der Anden am besten gedeiht. Da es sehr viele Blätter braucht, um gewinnbringende Mengen zu produzieren, werden dementsprechend grosse Anbauflächen benötigt. Weil der Regenwald da oft im Weg steht, wird er eben abgeholzt. Bei den Vertriebswegen sieht es auch nicht besser aus. Sie werden von Kartellen kontrolliert, auf deren Konten nicht nur viel Geld, sondern auch beträchtlich viele kaltblütige Morde gehen.
Deshalb birgt es schon eine gewisse Ironie, dass ausgerechnet da am meisten gekokst wird, wo nach Wahlverhalten die Verachtung gegenüber menschen- und umweltfeindlichen Produkten eigentlich sehr hoch sein sollte. Deshalb finde ich Menschen, die in dieser misslichen Schnittmenge aus moralischer Erhabenheit und skrupellosem Konsumverhalten eingeklemmt sind, faszinierende Wesen. Sie sind gut und gerecht, ökologisch und empathisch, denken global und handeln lokal, um sich dann mit beinahe erfrischender Inkonsequenz ein Pulver in die Nasenhöhlen zu jagen, dessen Produktion und Handel praktisch sämtliche ihrer Ideale verrät.
Wenn das mit dem Journalismus doch nicht klappt, könnte ich mir deshalb vorstellen, irgendwo in Kolumbien Bio-Kokain zu produzieren und in bester Fairtrade-Manier in die Schweiz zu schaffen. Eine Nachfrage würde bestimmt bestehen.
Martin Erdmann
Der «Bund»-Redaktor will nicht ausschliessen, dass dieser Text auch an Personen aus seinem privaten Umfeld gerichtet ist.
16 Kommentare zu «Rot-Grün mag es weiss»
Lieber Herr Erdmann
Ihre Logik scheint mir wenig zwingend. Die typischen Wähler*innen von Linksgrün, die ich kenne (es sind viele!), passen schlecht in Ihr Bild. Ich kann mir deshalb auch kaum vorstellen, dass es viele gibt, die mit den von Ihnen skizzierten Gewissenskonflikten Leben müssen. Koks ist ja in der Regel mit einem anderen Lifestyle verbunden.
Ich will damit jetzt nicht sagen, dass potenziell bürgerlich wählende Stadtbewohner*innen alle so zugespeedet sind, dass sie das Wählen vergessen – und durch Wahlabstinenz die rotgrüne Dominanz in den Städten erst möglich machen… Aber absurder als Ihre These ist diese Sicht der Dinge auch nicht!
Herzlich, Urs Fankhauser
Lieber Herr Fankhauser
Vielleicht bewege ich mich in einem vollauf verkommenen Umfeld, doch ich kenne mehr als ein Dutzend Linkswählerinnen- und Wähler, die dann und wann koksen. Aber ich gehe mit Ihnen vollkommen einig, dass diese zu einer klaren Minderheit gehören. Doch die Existenz einer solcher Minderheit ist doch genug interessant, um sich darüber Gedanken zu machen, wie sie mit ihrem Konsum umgeht, finden Sie nicht?
Beste Grüsse
Martin Erdmann
Ich denke, sie bewegen sich tatsächlich in einem verkommenen Umfeld, nämlich dem der unaufrichtigen Rechten.
Anders gesagt: Ich kaufe ihnen ihre Behauptung nicht ab. Im Gegenteil.
So unterschwellig zu behaupten, dass die rot-grünen Wählerinnen und Wähler Kokainkonsumenten sein sollen, ist total bescheuert.
Zürich, die Finanzmetropole der Schweiz, wird schon seit Jahrzehnten rot-grün regiert. Der Logik Erdmanns zufolge müssten die Wähler der SP, der Grünen., der AL Banker, Konzernmanager, Millionäre und Milliardäre sein.
Lieber Herr Beutler,
Sie scheinen ein veraltetes Bild von Kokainkonsumenten zu haben. Dass nur Reiche und Banker koksen, ist heute bloss noch ein abgehalftertes Klischee. Die Droge ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, was nicht nur diverse Studien belegen, sondern auch jedem aufgefallen sein sollte, der ab und zu im Nachtleben unterwegs ist. Und ich habe an keiner Stelle behauptet, Rot-Grün-Wähler seien per se Kokainkonsumenten. Ich habe nur geschrieben, dass es eine Schnittmenge gibt. Dies kategorisch auszuschliessen ist doch beinahe etwas naiv, finden Sie nicht?
Beste Grüsse
Martin Erdmann
Und er hat nichts kategorisch ausgeschlossen, wie sie behaupten. Beinahe etwas heuchlersich, finden Sie nicht?
Die Drogenprohibition ist Kernstück der bürgerlichen Politik. Mit dieser Verbotsideologie weltweit seit mehr als hundert Jahren die Kriminalität finanziert, man muss davon ausgehen dass das beabisichtigt ist um die braven Bürger*innen zu ängstigen.
Und natürlich gibt es sowieso keinen ethischen Konsum im Kapitalismus. Genau so wie man kein Geld auf die Bank bringen kann ohne die Klimakrise zu befeuern und die via CS-Investitionen die Terrorfürsten in Saudi-Arabien zu subventionieren, genau so wie man keinen PC kaufen kann ohne Kinderarbeit im Kongo und Sklavenfabriken in Indien zu ermöglichen, genau so kann man halt auch keine Drogen konsumieren ohne das ein oder andere Menschenleben zu opfern. Damit muss man leben lernen.
Lieber Herr Erdmann
Schon mal etwas von Scheinkorrelation gehört?
Zwei Aussagen:
1. Die meisten grossen Städte sind links/grün dominiert.
2. Kokain wird bevorzugt in grösseren Städten konsumiert.
Beide Aussagen sind für sich richtig. ABER: Das bedeutet nicht, dass zwischen den beiden ein kausaler Zusammenhang besteht.
Ich würde einen Grundkurs in Datenanalyse/Statistik empfehlen.
Herr Schenker, seien Sie doch etwas humorvoll. Die Glossen hier im Poller dürfen sie nicht allzu ernst nehmen.
Natürlich hat er davon gehört. Er hat nur vorgezogen, das Wissen zu ignorieren. Der Artikel trieft vor Unaufrichtigkeit.
Gut beobachtet und präzis beschrieben. Der Aufschrei, wenn man den Finger in die Wunde legt, war zu erwarten. Ein möglicher Hinweis darauf, woher die enorme Energie kommt, wenn es darum geht, bewilligte Demonstrationen zu stören und Polizisten zu prügeln.
Lieber Martin
Das passt doch irgendwie und kommt mir nicht fremd vor. Im Gegenteil, in einer anderen „Community“ verhält es sich genau so. Die Surfszene. An den Demos für Klimaschutz teilnehmen, was absolut unterstützt werden soll und anschliessend per Flugzeug durch die halbe Welt jetten für die eine Welle. Dann noch ein Essen mit Avocado und Sojaprodukten (leider nicht alle wissen wie die produziert werden). Und dann zu hause wieder demonstrieren gehen.
So verhält es sich politisch unabhängig, wenn die eigenen Interessen im Vordergrund stehen.
Wahre Worte!
Werter Martin Erdmann
Nach ihrer Meinung ist es „sehr wahrscheinlich, dass eine gewisse Überschneidung zwischen Rot-Grün-Wählern und Kokainkonsumenten besteht“. Überdies sei diese Wählergruppe Teil „einer misslichen Schnittmenge aus moralischer Erhabenheit und skrupellosem Konsumverhalten“.
Wie kommt ein Journalist dazu, eine derart wirre und respektlose Analyse der Denk- und Verhaltensmuster von Rot-Grün-Wähler/innen zu veröffentlichen? Ich sehe nur drei Möglichkeiten:
a) sein Gehirn ist durch Drogen bereits geschädigt, b) er ist ein wegen verlorener Wahlprozente frustrierter SVP-Wähler oder c) er hat keine Ahnung, wie man eine Politsatire schreibt.
Dr. Erich Staub
Herr Doktor,
Ihre Wortwahl lässt mich erahnen, dass unser Verhältnis kaum noch geradezubiegen ist. Deshalb wage ich es, diese Worte an Sie zu richten, unter dem Risiko eine Aussöhnung zu verunmögliche. Ihre pikierte Reaktion macht mich neugierig. Ziehen Sie es vor, in einer Welt zu leben, in der die Dinge sein müssen, wie sie zu sein haben? Anders kann ich es mir nicht erklären, wieso Sie sich von diesem Text so angegriffen fühlen. Zudem amüsiert mich Ihr Versuch, meine politische Einstellung zu deuten. Weil es mir schelmische Freude bereitet, Sie über diese im Dunkeln zu lassen, will ich Ihnen meine politischen Präferenzen nicht verraten. Doch ist es denn ausgeschlossen, dass ich ein Linkswähler sein könnte, nur weil ich mich über einen Habitus mancher Gleichgesinnten zu wundere?
Was söu das?