Bringen uns bald Flugroboter die Pakete von der Post oder Amazon? Oder sind Drohnen die Waffen von morgen? Federico Augugliaro verfolgt solche Diskussionen, aber als Grundlagenforscher hat er ganz andere Sorgen. Der 26-Jährige Doktorand am Institut für dynamische Systeme und Regelungstechnik der ETH Zürich arbeitet derzeit darauf hin, dass Flugroboter verlässlich mit Menschen interagieren und dass sie in der Architektur Konstruktionsaufgaben übernehmen.
Interview: Mathias Morgenthaler
Herr Augugliaro, Sie entwickeln an der ETH Zürich autonom fliegende Roboter. Mit welchen Herausforderungen haben Sie da zu kämpfen?
FEDERICO AUGUGLIARO: Die erste Herauforderung war, die Roboter so zu bauen und zu programmieren, dass sie autonom von Punkt A zu Punkt B fliegen können. Das ist keine banale Aufgabe, aber doch vergleichsweise einfach. Schwieriger wird es, wenn man mehrere Flugroboter gleichzeitig fliegen lässt und vermeiden will, dass es in der Luft zum Crash kommt. Ich schrieb einen Algorithmus, der dafür sorgte, dass sich die Flugbahnen nicht kreuzen.
Wie muss man sich diese Arbeit vorstellen? Wälzen Sie wissenschaftliche Literatur, experimentieren Sie am Computer oder testen Sie Ihre Arbeit laufend in der Luft?
Alles trifft zu. Am Anfang einer neuen Aufgabe steht die Suche nach der besten Strategie. Das bedeutet zunächst einmal, die Forschungsliteratur genau zu studieren. Dann geht es darum, die bekannten mathematischen Modelle zu modifizieren und die Roboter neu zu programmieren. Getestet wird zunächst am Computer im Simulator und schliesslich in unserem Experimentierraum, der «Flying Machine Arena». Immer wieder kommt es vor, dass sich die Flugroboter im Experiment anders verhalten als in der Simulation.
Wie lange brauchen Sie, um dem Flugroboter eine neue Fähigkeit beizubringen?
Es braucht schon ein bisschen Mathematik, dass sich die Roboter so verhalten, wie wir uns das vorstellen. Nach einigen Wochen kann ich jeweils mit einer ersten Version testen, ob meine Algorithmen den gewünschten Effekt haben. Bis etwas Neues verlässlich funktioniert, kann es mehrere Monate dauern. Ich finde es sehr cool, dass ich nicht nur über Büchern oder am Computer sitze, sondern meine Grundlagenforschung immer wieder zum Fliegen bringen kann.
Für Ihre Masterarbeit haben Sie mehrere Auszeichnungen erhalten. Sie liessen mehrere Flugroboter synchron im Rhythmus der Musik durch die Luft fliegen. Welche Ziele verfolgen Sie nun mit Ihrer Dissertation?
Im Zentrum der Doktorarbeit steht die Interaktion zwischen Flugroboter, Umwelt und Mensch. Um kleine Quadrocopter in die Luft zu schicken und kontrolliert fliegen zu lassen, braucht man heute keine grosse Innovation mehr. Interessanter wird es, wenn der Mensch während des Flugs eingreift, etwa indem er den Flugroboter an eine andere Position zieht. Dann wird es sehr anspruchsvoll, durch die Programmierung sicherzustellen, dass der Roboter stabil und verlässlich auf jede denkbare Intervention reagiert. Einen zweiten Aspekt erforsche ich gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Architektur und Digitale Fabrikation. Hier steht die Frage im Zentrum, wie die Flugroboter eigenständig Seilstrukturen bauen können.
Flugroboter gerieten zuletzt häufiger in die Schlagzeilen, weil grosse Unternehmen wie Amazon ankündigten, sie künftig in der Warenauslieferung einzusetzen. Interessieren Sie sich als Forscher für die Kommerzialisierung der Technologie, die Sie weiterentwickeln?
Ich verfolge das mit grossem Interesse. In den letzten Jahren sind in der Schweiz und in den USA viele Startups entstanden in diesem Feld. Auch ein ehemaliger ETH-Kollege von mir hat eine Firma gegründet. Mit Fotokite bietet er Flugroboter für die Luftfotografie an, die über eine Leine gesteuert werden können. Dass nun grosse Unternehmen wie Amazon oder die Post mit Flugrobotern experimentieren, zeigt, welch grosses Marktpotenzial diese Technologie hat.
Trotzdem bleibt es schwer vorstellbar, wie eine kleine Drohne einem das Paket von Amazon aushändigt.
Flugroboter in die Luft zu bringen und zu steuern, ist keine Hexerei. Die Steuerung in der Nähe von Gebäuden und im Kontakt mit Menschen ist aber eine Herausforderung. Technisch ist das alles lösbar, aber bezüglich Sicherheit und Zuverlässigkeit gibt es noch viele Fragezeichen. Es gibt andere Anwendungsbereiche, die weiter fortgeschritten sind. Etwa in der Überwachung von landwirtschaftlich genutzten Feldern oder in der Fotografie.
Die Technologie weckt allerdings auch Ängste. Die Piratenpartei liess letzten Herbst im Wahlkampf eine kleine Drohne aufsteigen und brachte sie wenige Meter neben Kanzlerin Angela Merkel zum Landen. Google-Chef Eric Schmidt warnte vor einiger Zeit, Flugroboter demokratisierten die Kriegsführung. Fragen Sie sich manchmal, welche unheimlichen Anwendungen Sie mit Ihrer Forschung ermöglichen?
Es gibt in der Flugrobotertechnologie ein Missbrauchspotenzial – das gilt allerdings für praktisch alle Technologien. Ich finde es wichtig, dass die Thematik in der Öffentlichkeit diskutiert wird, denn es braucht eine Reglementierung, die missbräuchliche Anwendungen verhindert.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wollen Sie in der Grundlagenforschung bleiben oder mit einer eigenen Firma auf den Markt kommen?
Derzeit bin ich ganz der Forschung verpflichtet, da ergibt eine Aufgabe die nächste. Entscheidend ist für mich, dass ich weiterhin im Zentrum der Innovation tätig sein kann, am Puls der technologischen Entwicklung. Ob als Wissenschaftler oder Unternehmer, weiss ich derzeit nicht.
Kontakt und Information
www.flyingmachinearea.org oder www.idsc.ethz.ch
Video der tanzenden Flugroboter:
https://www.youtube.com/watch?v=Glvla0nFWHo
Pizza oder Kebab Lieferungen mittels Drohnen wurden in Deutschland und England schon vor 2 Jahren erfolgreich getestet. Die rechtlichen Hürden erwiesen sich aber bislang als zu hoch.