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Gesundheitsversorgung für alleWeshalb Sans-Papiers durch die Maschen fallen

Viele Sans-Papiers gehen erst zum Arzt, wenn der Leidensdruck hoch oder eine Krankheit bereits fortgeschritten ist.

Für Sans-Papiers, also Menschen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung, sind niederschwellige medizinische Angebote wichtig. Denn die meisten von ihnen sind nicht über die obligatorische Krankenkasse versichert. In Bern könnte das Angebot deshalb demnächst ausgebaut werden. Als Vorbild gilt Genf, wo das Universitätsspital bereits seit Jahrzehnten ein Ambulatorium für Sans-Papiers und andere vulnerable Menschen betreibt.

Mehrere Berner Stadträtinnen und Stadträte von linksgrünen Parteien bis in die bürgerliche Mitte hinein hatten ein Pilotprojekt nach Genfer Vorbild gefordert. Der Gemeinderat erkennt zwar Handlungsbedarf, will «aufgrund des engen finanziellen Spielraums in der Stadt Bern» jedoch keine neuen Aufgaben übernehmen.

Unklar ist, wie das Stadtparlament auf die zurückhaltende Position des Gemeinderats reagieren wird. Die SP-Fraktion etwa wird erst am Dienstagabend über den entsprechenden Begründungsbericht beraten.

Alexander Feuz, Fraktionspräsident der SVP Stadt Bern, ist gespannt, wie die Ratslinke auf den Bericht der Stadtregierung reagieren wird. «Ich bin erleichtert, dass der Gemeinderat keine neuen Aufgaben übernehmen will und eingesehen hat, dass die Stadt die finanziellen Mittel dafür nicht hat», so Feuz.

Die Thematik sorgt damit bereits zum zweiten Mal innert Wochenfrist für Diskussionen. Am vergangenen Donnerstag hat der Stadtrat entschieden, Lücken in der Gesundheitsversorgung auszumachen und gegebenenfalls zu schliessen. Dabei sollen unter anderem bestehende Angebote für vulnerable Personengruppen ausgebaut werden. Dazu zählt der Gemeinderat neben Sans-Papiers auch «desintegrierte Drogenkonsumierende, Obdachlose und teilweise auch Sexarbeitende».

Wie engmaschig ist das Netz der medizinischen Grundversorgung in der Stadt Bern? Was bedeutet der Status quo für Betroffene? Und wer kommt für die bereits bestehenden niederschwelligen medizinischen Angebote auf? Eine Übersicht.

Ein Gesundheitssystem für Menschen ausserhalb des Systems

Eigentlich garantiert die Bundesverfassung die medizinische Grundversorgung für alle. Das Krankenversicherungsgesetz schreibt vor, dass sich alle mit Wohnsitz in der Schweiz für Krankenpflege versichern lassen müssen. Instrumente wie Sozialhilfe und Prämienverbilligung sind dafür da, dass dieser Zugang auch für Armutsbetroffene trotz steigender Prämienlast sichergestellt wird.

Nun gibt es verschiedene Gründe, weshalb jemand in der Schweiz durch die Maschen all dieser Netze fallen kann. Dazu gehören etwa Sans-Papiers. Ein Teil dieser Bevölkerungsgruppe ist als Touristen oder ohne Visum eingereist. Ein Teil kommt aus dem Asylbereich: Davon einige mit abgelehntem Asylgesuch, die nicht ausgeschafft werden können, andere sind während des Asylprozesses untergetaucht. Wieder andere haben ihre Aufenthaltsbewilligung verloren.

Laut Karin Jenni, Co-Leiterin der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers, gibt es zwei Gründe, weshalb es niederschwellige medizinische Angebote für Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung braucht: Erstens die Kosten. Zweitens die Angst, aufzufliegen.

Karin Jenni ist Co-Leiterin der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers.

«Die meisten Sans-Papiers haben eine prekäre Lebenssituation. Viele gehen einer Arbeit nach, haben jedoch oft nur ein monatliches Einkommen von vielleicht 1500 Franken», sagt Jenni. Eine Krankenversicherung können sich, trotz Prämienverbilligungen, die wenigsten leisten. Zudem gebe es ein erhebliches Risiko, bei Zahlungsunfähigkeit aufzufliegen.

So viele Sans-Papiers wohnen in Bern

Wie viele Menschen ohne Papiere in der Schweiz leben, weiss niemand. Auch die Stadt Bern weiss nicht, wie viele Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung hier leben und wie sich die Zahlen entwickelt haben. «Wir haben keine Anhaltspunkte, dass die Zahlen zu- oder abgenommen haben», sagt Susanne Rebsamen, Leiterin der Fachstelle für Migrations- und Rassismusfragen der Stadt Bern. «Es sind vor allem Menschen, die mit Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Daher dürften die meisten im arbeitsfähigen Alter sein.»

Die Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers hilft rund 1000 Menschen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung.

Ein Indikator sind die rund 1000 Menschen, die derzeit in Bern und Biel von der Berner Beratungsstelle Sans-Papiers unterstützt werden. Dazu dürfte jedoch noch eine grosse Dunkelziffer von mehreren Tausend Menschen dazukommen.

Diese Angebote gibt es zurzeit …

Im Unterschied zu Genf gibt es in Bern keine staatliche Anlaufstelle für Sans-Papiers. Die Beratungsstelle für Sans-Papiers ist als Verein organisiert, jährlich unterstützt die Stadt diesen mit 20’000 Franken. Der Rest des Jahresbudgets von knapp 500’000 Franken stammt von Spenden, Kirchen, Stiftungen und einem Solidaritäts-Lauf. Letzterer macht etwa ein Viertel der Einnahmen aus.

Zum Beratungsangebot gehört das Abschliessen von Verträgen mit Krankenkassen und Hilfe bei der Beantragung von Prämienverbilligungen. Bei gesundheitlichen Problemen verweist die Beratungsstelle die Klienten an die Gesundheitsversorgung für Sans-Papiers (GVSP) des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK).

In Wabern betreibt das Schweizerische Rote Kreuz ein medizinisches Angebot für Sans-Papiers.

Die Anlaufstelle GVSP wird zum grossen Teil über Spenden finanziert. Die Ärztinnen und Ärzte engagieren sich freiwillig und unentgeltlich, Sprechstunden finden an drei Halbtagen pro Woche statt. Auf Anfrage schreibt das Schweizerische Rote Kreuz, dass jährlich zwischen 950 und 1400 Konsultationen durchgeführt und zwischen 250 und 350 Patientinnen und Patienten betreut würden.

Für die Sans-Papiers sind die Behandlungen und Beratungen grundsätzlich kostenlos. Nur beim ersten Termin wird ein Betrag von 10 Franken fällig. Bei Zahnbehandlungen müssen Sans-Papiers einen Teil der Kosten selbst bezahlen.

… und wo dieses an seine Grenzen stösst

Karin Jenni von der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers ortet Ausbaubedarf. «Das Angebot des Schweizerischen Roten Kreuzes ist gut, aber es betrifft nur die Grundversorgung», sagt Jenni. Handlungsbedarf sieht sie bei der Zahnmedizin oder bei der psychologischen Versorgung. «Hier sollten Stadt und Kanton mehr Verantwortung übernehmen.»

Laut Jenni leben viele Sans-Papiers unter dem Existenzminimum. Weil sie oft weder eine Krankenversicherung noch eine Krankentaggeldversicherung haben, können sie es sich eigentlich nicht leisten, krank zu werden.

Viele Sans-Papiers liessen sich daher erst behandeln, wenn der Leidensdruck hoch und die Krankheit fortgeschritten sei. Gemäss SRK kann das weitreichende Folgen für die Betroffenen haben. So riskiere jemand mit Diabetes etwa eine andauernde Seheinschränkung, wenn er oder sie die nötigen Medikamente nicht erhalte.

Auch das Schweizerische Rote Kreuz spricht sich für einen Ausbau des medizinischen Angebots für Sans-Papiers aus. «Die GVSP kann nicht alle Bedürfnisse abdecken. Weitere niederschwellige und anonymisierte Angebote für höchstvulnerable Menschen sind wünschenswert, auch um die Nachfrage besser abdecken zu können», schreibt das SRK auf Anfrage.

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