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Geoengineering gegen den KlimawandelAufgehellte Wolken könnten die Erde wirksam kühlen

2018 schleuderte der Kilauea-Vulkan auf Hawaii grosse Mengen Asche in die Luft – das hat wohl die Wolkenbildung stimuliert und so die Region gekühlt.

Neulich haben sie es einfach mal ausprobiert. Eine Gruppe Wissenschaftler von der University of Washington bestieg vor einigen Wochen in der San Francisco Bay die Hornet, einen stillgelegten Flugzeugträger, und schmiss eine riesige Düse an Deck an, die an eine Schneekanone erinnert. Ein feiner Nebel aus Salzkristallen und Wasser schoss mit ohrenbetäubendem Krach in den Himmel über der Westküste der USA.

So berichtet es zumindest die «New York Times» – die Urheber des Experiments selbst reagieren bislang nicht auf Anfragen. Womöglich, weil die Sache äusserst kontrovers ist: Mit dem Versuch testen die Forscher des «Marine Cloud Brightening»-Programms, ob sich Wolken über dem Meer weisser machen lassen, als sie sind. Das mag nach einem etwas speziellen Ziel klingen, könnte jedoch für den Planeten einen riesigen Unterschied bewirken. Je mehr Wolken den Himmel bedecken und je heller diese sind, umso mehr Sonnenstrahlung reflektieren sie ins Weltall zurück. Wolken aufzuhellen, könnte also die Erde kühlen und die Erderwärmung bremsen, so die Hoffnung.

Wolken aufzuhellen, gilt jedoch als Geoengineering: Man verändert das Klima mithilfe von Technik. Und damit sind viele nicht einverstanden. Kürzlich wollte die Schweiz auf der UNO-Umweltversammlung in Nairobi erreichen, dass eine Expertengruppe auf UNO-Ebene die Risiken und Chancen verschiedener Eingriffe abwägt. Doch aufgrund massiver Widerstände unter anderem von afrikanischen Staaten zog die Schweizer Delegation den Vorschlag zurück. Zum Experiment vor San Francisco ging selbst das Weisse Haus auf Distanz: Man sei in diesen und andere Geoengineering-Versuche in keiner Weise involviert.

Erderwärmung liesse sich mit mehr Wolken neutralisieren

Dabei ist bislang grösstenteils unklar, wie stark sich Wolken überhaupt künstlich erzeugen oder aufhellen lassen – und was dabei in ihnen abläuft. In diese Wissenslücken stösst nun eine Studie im Fachmagazin «Nature Geoscience» vor. Die Forscher um Ying Chen von der Universität Birmingham stützen sich ebenfalls auf ein Experiment, allerdings auf ein «natürliches»: den Ausbruch des Kilauea-Vulkans auf Hawaii, der Mitte 2018 monatelang gewaltige Mengen Asche in die Atmosphäre spie.

Auswertungen von Satellitenaufnahmen belegen laut den Forschenden, dass diese Aerosol-Fahne die Wolkenbildung massiv stimulierte. Die Wolkenbedeckung um Hawaii nahm in einer fast neunzigmal so grossen Region wie der Schweiz um bis zu 50 Prozent zu. Das führte zu einer lokalen Kühlwirkung von bis zu 10 Watt pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Die vom Menschen verursachte Erwärmung des Planeten liegt derzeit bei 2,72 Watt pro Quadratmeter, also gut einem Viertel davon. Rein rechnerisch liesse sich die Erderwärmung demnach örtlich neutralisieren. Der Effekt sei stärker als bislang von Modellen vorhergesagt, betonen die Forscher.

Doch wie funktioniert die Wolkenbildung genau? Als gesichert gilt, dass die Zufuhr von Aerosolen die Anzahl der Kondensationskeime in der Luft erhöht, an denen sich Wasserdampf absetzt, wodurch Wolken entstehen. Bislang ging man davon aus, dass damit das Abregnen der Wolken verhindert wird und die Wolken dadurch dichter und heller werden.

Laut der neuen Studie ist das nicht der Fall – vielmehr sorgten die Aerosole dafür, dass sich die Wolkendecke weiter ausbreitete als gewöhnlich. Dabei könne es sogar mehr regnen als zuvor, der Regen verwandle sich aber bei hoher Luftfeuchtigkeit recht schnell wieder in Wolken, vermuten die Wissenschaftler. Daher schätzen sie, dass die Methode vorwiegend in feuchtwarmen Gebieten wie den Tropen effektiv wäre. Das Gleiche in trockenen Gegenden zu versuchen, könnte die Wolkendecke dagegen eher reduzieren, weil sich nicht so viele Wolken nachbilden.

«Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Aufhellung von Meereswolken als Klimamassnahme wirksamer sein könnte, als Klimamodelle bisher vermuten liessen», wird der Erstautor Ying Chen in einer Mitteilung der Universität Birmingham zitiert. Allerdings würden damit nicht die Ursachen der globalen Erwärmung bekämpft: der vom Menschen verursachte Ausstoss von Treibhausgasen. Das Aufhellen von Wolken sei daher eher als «Schmerzmittel» zu verstehen statt als Heilung.

Australien legt schon mal los

Jedoch wird der Ruf nach diesem Schmerzmittel lauter. In Grossbritannien hat die staatliche Forschungsagentur UK Research and Innovation kürzlich ein Forschungsprojekt im Umfang von rund zwölf Millionen Euro gestartet, um die Auswirkungen von Geoengineering-Methoden auf die Umwelt besser zu verstehen. Und im Fachmagazin «Science Advances» forderten rund 30 Forscherinnen und Forscher kürzlich mehr Experimente, um die Wolkenaufhellung eingehender zu studieren.

So schlagen die Wissenschaftler etwa einen Langzeitversuch auf einer Insel vor, «um die Effektivität von MCB (Marine Cloud Brightening) für eine Reihe von meteorologischen und Wolkenbedingungen zu beleuchten». Ausserdem müsse man ausprobieren, welche Düsen die Salzwasser-Aerosole am effektivsten in der Luft versprühen könnten. Ziel sei auch, zu verstehen, wie sich die Wolkenaufhellung ausweiten lasse – sodass die Erderwärmung nicht nur örtlich gebremst werde, sondern weltweit.

Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) oder der Environmental Defense Fund (EDF) haben sich gegen diesen Weg ausgesprochen, nötig sei vielmehr, die Treibhausgasemissionen schnell zu senken. Auch viele Entwicklungsländer befürchten, dass die wohlhabenden Staaten Geoengineering als Freibrief nutzen könnten, um weiter ungehindert Treibhausgase auszustossen.

Manche legen unterdessen schon einmal los. Seit 2020 testet etwa ein Team um den Ozeanografen Daniel Harrison von der Southern Cross University die Wolkenaufhellung vor Australien. Ziel ist es, das Great Barrier Reef, das derzeit wieder unter einer schweren Korallenbleiche leidet, vor zu grosser Hitze zu schützen. Der Zeitschrift «Nature» sagte Harrison, vorläufige Ergebnisse würden darauf hindeuten, dass die Technologie effektiver sei als von Modellen vorhergesagt.

Erst kürzlich soll es laut «New York Times» eine mehrwöchige Expedition in die Region gegeben haben, um die Wolken zu manipulieren. Ansonsten ist wenig über die Versuche bekannt.