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Städtereise NordirlandBelfast – die Stadt, die keine «Troubles» mehr will

Hier wohnen Menschen, die die Zugehörigkeit zu Grossbritannien befürworten: Ein Mural mit Queen Elizabeth II an der Rockview Street in Süd-Belfast.

Die meisten Städtereisenden möchten ja gern eines sein: individuell. Nichts schlimmer als die Vorstellung, sich in einer Menschenlawine durch die engen Gassen Splits oder Venedigs zu schieben.

Bühne frei für Belfast! Die nordirische Hauptstadt ist noch immer ein Geheimtipp für einen Städtetrip. Während Dublin, die Hauptstadt der Republik Irland, zu den meistbesuchten Städten Europas gehört, ist der Norden der Insel touristisch viel weniger erschlossen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass es aus der Schweiz keine direkten Flüge nach Nordirland gibt (eine Ausnahme sind die Easyjet-Verbindungen zwischen Genf und Belfast in den Wintermonaten). Die Anreise ist dennoch simpel: Ab dem Flughafen Dublin bringen Busse die Reisenden in zwei Stunden ins Stadtzentrum von Belfast.

Dafür ist übrigens nicht einmal ein Pass nötig. Trotz Brexit werden zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland, das zu Grossbritannien gehört, keine Grenzkontrollen gemacht. Das Einzige, woran wir merken, dass wir uns nun auf nordirischem Gebiet befinden, ist die durchgezogene Linie am linken Strassenrand: Sie wechselt von Gelb (Irland) auf Weiss (Nordirland).

Der Grund, warum Belfast als Reisedestination viele Jahre undenkbar war, liegt in der Vergangenheit: der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, der sich darum dreht, ob Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll. Katholische Republikaner setzen sich dafür ein, dass sich das kleine Land von Grossbritannien abspaltet und mit Irland zusammenschliesst.

Ab den Siebzigern bis zur Jahrtausendwende herrschten in Nordirland mit Bombenanschlägen und Ausschreitungen teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände. Belfast mit seinen vielen katholischen Arbeitervierteln war einer der Schauplätze. Das Friedensabkommen von 1998 beendete «The Troubles», die bewaffneten Auseinandersetzungen. Doch die Terrorjahre hallen nach.

Auch das ist Belfast: Verriegelte Häuser in einem verlassenen Wohnquartier.

Aber dazu später mehr. Zuerst zoomen wir uns bei unserem Besuch noch weiter zurück in die Vergangenheit: an den Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Hafen von Belfast wurde damals das berühmteste Passagierschiff der Welt gebaut: die Titanic. 1912 lief sie zu ihrer Jungfernfahrt über den Atlantik aus. Was war man stolz. Der Inbegriff von Moderne und Aufbruch, made in Belfast!

Ein neues «Titanic-Viertel»

Der Luxusdampfer sank, und im Lauf des 20. Jahrhunderts blickte auch der Schiffbau in Belfast seinem Niedergang entgegen. Die Werft wurde zur Industriebrache. Bis man beschloss, aus dem weltberühmten Schauplatz touristisches Kapital zu schlagen, und das Gelände vor gut 20 Jahren zum «Titanic-Viertel» ernannte. 2012 eröffnete Queen Elizabeth das monumentale Titanic-Museum.

Das Titanic-Museum, entworfen vom britischen Architekten Eric Kuhne. Es steht auf dem ehemaligen Werftgelände, auf dem einst das berühmte Passagierschiff gebaut wurde.

Ein sehenswerter Bau, nicht nur in architektonischer Hinsicht: Man durchlebt weit mehr als nur die allseits bekannten letzten Stunden und Minuten der Unglücksnacht auf dem Dampfer (Tipp: Billette vorab online reservieren und Warteschlange umgehen). Das Museum skizziert ein lebendiges Bild von Belfast als einst blühende Industriestadt mit Reedereien, Leinenfabriken, Tee- und Tabakimport. Eindrücklich auch das Originalvideo von dem Moment, als Forschende 1985 auf ihrer Expedition das Schiffswrack fanden.

Neben dem Museum steht ein stillgelegtes Werftgebäude der ehemaligen Titanic-Reederei Harland & Wolff. Darin sind heute zwei Restaurants und ein gehobenes Hotel einquartiert. Chefrezeptionist William, ein gedrungener Mann mit Schiebermütze und markantem nordirischen Akzent, führt uns durch die erhaltenen Originalräume.

Er zeigt uns die kleine Kommunikationszentrale, in der damals das Telegramm mit der Meldung eintraf, dass die Titanic gesunken sei. Die Sekretärinnen hatten die Nachricht dem Reederei-Chef zu überbringen. «Ihr könnt euch die Emotionen und die Trauer vorstellen, die in diesem Raum erlebt wurden», sagt William. Können wir!

Eintauchen in vergangene Zeiten: Das Pumpenhaus beim Trockendock im Titanic-Viertel.

Wer Hafenkräne (die beiden bekanntesten hier heissen Samson und Goliath), Meeresbrise und Industrieflair mag, wird Belfast lieben, so viel steht fest. Und wer Gegensätze liebt, ebenso. Ein wilder Mix etwa ist die Architektur: Viktorianische Häuser wechseln sich mit modernen Bauten ab. Hier Arbeiterviertel mit roten Backsteinhausreihen, da die Queen’s University, ein Prachtbau. Moderne Shoppingcenter und Vintage-Kleiderläden. Ein herrschaftliches Palmenhaus aus Gusseisen und Glas mit Vogelkäfigkuppel im botanischen Garten.

Wunderbare grüne Oase: Der botanische Garten in Belfast mit dem eleganten Palmenhaus.

Man flaniert durch Kunstgalerien und vorbei an Wandmalereien im Cathedral Quarter (einem ehemaligen Problemviertel, das zum gentrifizierten Ausgehtreffpunkt geworden ist) und steht unvermittelt vor leeren, verriegelten Geschäften und in heruntergekommenen Strassen, die schon um 17 Uhr ausgestorben sind. Vieles strahlt diesen leicht verschrobenen Charme aus, der ehemaligen Industriestädten eigen ist. Abends wird in vielen Pubs traditionelle Livemusik gespielt.

Für Filmliebhaber bietet sich eine Besichtigung der Linen Mill Studios 30 Minuten ausserhalb von Belfast an. In der ehemaligen Leinenfabrik – und an zahlreichen weiteren Orten auf der Insel – wurde ein Grossteil der Fantasy-Serie «Game of Thrones» gedreht. Fans finden bei der Tourismusbehörde von Belfast eine Karte mit den wichtigsten Filmschauplätzen in ganz Nordirland.

Düstere Street-Art in der Newtownards Road: Im Hintergrund ein Wandgemälde, das an die Opfer des Titanic-Unglückes erinnert, im Vordergrund eine Darstellung paramilitärischer Kämpfer.

Gegensätze – oder vielmehr Hürden – tauchen auch auf, wenns um jene Bauwerke geht, die das Stadtbild von Belfast prägen: die Mauern, die katholische und protestantische Wohnviertel voneinander abgrenzen. Bis heute. «Peace Walls» oder «Peace Lines» werden sie genannt, dabei sind sie ja Mahnmale der Gewalt.

Während der «Troubles» wurden Barrikaden zwischen den verfeindeten Volksgruppen errichtet, um Ausschreitungen zu verhindern. Dutzende meterhohe Wälle verlaufen seither quer durch die Stadt. Als Graffitispot und Geschichtsdenkmal sind sie mittlerweile touristische Attraktionen, man kann ihre Besichtigung als Taxitour buchen.

Teilweise noch immer eine geteilte Stadt: Die 5,5 Meter hohe «Peace Line» entlang der Springmartin Road in Belfast (Aufnahme von 2014).

Doch welche Bedeutung haben die Friedensmauern heute? Das scheinen nicht einmal die Einwohner Belfasts so recht zu wissen. Die Mauern haben grosse Tore, durch die die Autos fahren. Jemand sagt, die Tore würden aus Sicherheitsgründen jeden Abend geschlossen. Falsch, nur an wichtigen Feiertagen, korrigiert ein Zweiter. Einmal heisst es, die Mauern würden nur aus Tradition noch stehen, nicht aus Notwendigkeit. Ein andermal hören wir, Belfast sei noch immer eine geteilte Stadt. So klar ist es also nicht. Wahrscheinlich haben die Mauern und die Erinnerung an die Unruhen für jede und jeden in Belfast und Nordirland eine andere Bedeutung.

So erzählt ein Busfahrer von seinen vier Kindern, alle in den Zwanzigern: «Ob protestantisch oder katholisch interessiert die nicht», sagt er. «Sie wollen einfach leben.» Ein pensionierter Berufskollege von ihm, der uns bei einer anderen Gelegenheit chauffiert, bricht hingegen in Tränen aus, als er sich an den Bombenanschlag von 1998 auf Omagh im Landesinnern erinnert, bei dem 29 Zivilisten ums Leben kamen. Er habe viele von ihnen gekannt.

Kraftvoller Bau: Das Ulster-Museum in Belfast ist geprägt durch den charakteristischen rohen Beton und die geometrischen Formen des Brutalismus.

Für eine Unternehmung ausserhalb der Hauptstadt lohnt sich ein Ausflug an den nördlichsten Punkt der Insel: zum Giant’s Causeway. Knapp 100 Kilometer entfernt, lässt sich dieses Unesco-Weltkulturerbe von Belfast aus in einem Tagesausflug erreichen. Wer mehr Zeit hat und lieber die malerische Küstenstrasse, die Causeway Coastal Route, entlangfahren möchte, plant am besten eine Übernachtung ein (zum Beispiel im Causeway Hotel, das auf einer Klippe liegt und einen grandiosen Blick aufs Meer bietet).

War hier ein mythischer Riese am Werk oder die Geologie? Gesteinsformation am Giant’s Causeway.

In der kleinen Bucht des Giant’s Causeway bilden Zehntausende kleine, meist sechseckige Steinsäulen einen wunderlichen Gesteinsteppich. Geologen erklären sich das Spektakel mit abgekühlter Lava, die Iren haben dafür eine Legende um einen Riesen namens Fionn MacCumhaill erfunden.

Anstatt sich mit Hunderten anderen Besuchern um den besten Selfie-Standort zu rangeln, empfiehlt es sich, den Besuch mit einem Klippenspaziergang zu verbinden (geführte Wanderungen zum Beispiel über den lokalen Anbieter «Away a Wee Walk»). Und den Blick, weit oben im Norden, übers Meer bis nach Schottland schweifen zu lassen.

Es lohnt sich, den Besuch beim Giant’s Causeway mit einer Klippenwanderung zu verbinden.

Die Recherchereise für diesen Text wurde unterstützt von Tourism Ireland.

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