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Neue Studie zur Teilzeitarbeit«Das berühmte Schweizer Arbeitsethos bröckelt»

Die Studienteilnehmer halten 80 Prozent für das ideale Pensum eines Familienvaters. 

Kaum eine Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird derzeit so kontrovers diskutiert wie die Viertagewoche. Firmen, die mit dem Modell experimentieren, schwärmen, ihr Personalproblem habe sich in Luft aufgelöst. Mitarbeitende, die davon profitieren, sind begeistert. Und Kritiker fragen entgeistert: Was, wenn das alle machten? Käme der Wirtschaftsmotor da nicht gewaltig ins Stottern?

Wie die Schweizer Bevölkerung in der Frage denkt, hat nun das Forschungsinstitut Sotomo erhoben. Die repräsentative Studie im Auftrag der Initiative #geschlechtergerechter mit über 2000 Teilnehmenden zeigt: Die Idee einer Viertagewoche ist in der Bevölkerung erstaunlich populär. 

Zwei Drittel der Befragten stünden demnach einem Modell à la Island positiv gegenüber. Im Inselstaat wurde die Arbeitswoche auf gesetzlichem Weg auf vier Tage verkürzt – bei vollem Lohn. Vor allem Frauen, linke Wähler und jüngere Befragte würden eine solche Lösung auch in der Schweiz begrüssen. Doch nicht nur sie: Selbst in der Basis der Mitte-Partei befürworten 52 Prozent die Idee «eher» oder «stark». 

Mangel an Zeit

Für Studienautor Michael Hermann steht fest: «Es ist etwas in Bewegung geraten. Das berühmte Schweizer Arbeitsethos bröckelt.» Der Politgeograf führt die Entwicklung auf mehrere Faktoren zurück. 

Wer heute in der Schweiz ins Berufsleben einsteigt, ist in einer Zeit des Wohlstands aufgewachsen – wie schon die beiden Generationen davor. «Natürlich gibt es heute auch Working Poors. Aber unter dem Strich leiden in der Schweiz viele Erwerbstätige eher unter einem Mangel an Zeit als unter finanzieller Armut.»

Mit der gesunkenen Geburtenrate seien zudem die Ansprüche der Eltern gestiegen. «Man ist sich sehr bewusst, dass man die Kleinkinderphase nur ein- oder zweimal erlebt, und will entsprechend präsent sein.»

Vor diesem Hintergrund machten viele Menschen eine mentale Milchbüechlirechnung: Wie viel Arbeit brauche ich eigentlich zum Leben? Und: Liegt das Lebensglück nicht eher in der Freizeit als in einer Karriere, in der man vermutlich ohnehin nicht ganz an die Spitze kommt?

Kommen die Kosten zur Sprache, schwindet die Zustimmung rasch.

Freilich wurde den Befragten keine Rechnung für die Viertagewoche präsentiert. Hermann betont: «Das Ergebnis sagt viel mehr über die Präferenzen der Bevölkerung aus als über die politischen Chancen eines solchen Vorschlags.» Es dürfte sich hier verhalten wie so oft bei linken sozialpolitischen Anliegen: Kommen die Kosten zur Sprache, schwindet die Zustimmung rasch.

Dieses Spannungsfeld – die persönliche Sehnsucht gegen das ökonomische Gewissen – zieht sich wie ein roter Faden durch die Studienresultate. So finden sich in der Auswertung zwar weitere Belege dafür, dass sich die Schweizer Bevölkerung nach einer besseren Work-Life-Balance sehnt. Nur noch drei Tage pro Woche würde der oder die durchschnittliche Befragte arbeiten, wenn Geld keine Rolle spielte. Und 68 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass wir in der Schweiz ganz grundsätzlich zu viel arbeiten. 

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Gleichzeitig glaubt aber auch eine Mehrheit, dass wir aufgrund der Probleme in der Altersvorsorge und des Fachkräftemangels eigentlich mehr arbeiten müssten. Dabei steht eine Gruppe besonders im Fokus: kinderlose Personen, die Teilzeit arbeiten. Von ihnen wird besonders häufig erwartet, dass sie ihr Pensum aus volkswirtschaftlichen Gründen aufstocken. 

Teilzeitmütter erwünscht

Andere Massstäbe gelten offenbar für Familien: Insbesondere bei Müttern kleiner und schulpflichtiger Kinder wird es sogar gern gesehen, wenn sie nur mit einem Bein im Arbeitsleben stehen. Eine ideale Aufteilung sieht laut Ansicht der Mehrheit so aus, dass der Vater 80 Prozent arbeitet und die Mutter 50 Prozent. In der Realität arbeiten heute beide mehr: die Mütter im Schnitt 55 Prozent, die Väter 91.

Hermann bilanziert: «Es wirken hier extrem viele gesellschaftliche Kräfte, die teilweise in diametral unterschiedliche Richtungen zielen.» Dies mache es so schwierig, den Schweizer Teilzeit-Chnorz – und die damit verknüpften volkswirtschaftlichen Probleme – aufzulösen. 

Ein Problem sei auch, dass die Meinungsmacher in Politik und Wirtschaft oft Menschen sind, die beruflich ambitioniert sind und gern arbeiten. «Sie haben ein falsches Bild von den Prioritäten der Bevölkerung.» 

So zeigt die Untersuchung, dass die Teilzeitsehnsucht keineswegs auf die jüngeren Generationen beschränkt ist. «Diese trauen sich nur eher, ihr Pensum tatsächlich zu reduzieren», sagt Hermann. Seien alternative Arbeitsmodelle dann gesellschaftlich plötzlich akzeptiert oder würden sie gar politisch gefördert, dann könnten sich bisher ungeahnte gesellschaftliche Dynamiken entfalten.

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