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Mamablog: Eltern im DauerarbeitsmodusAchtung, freies Zeitfenster!

Von wegen Nichtstun: Selbst vermeintliche Erholungsphasen werden allzu oft möglichst effizient genutzt.

Kürzlich hatte ich mal wieder freie Zeit. Nicht die Art, die man einplant, um joggen zu gehen. Oder um die Kindersachen für den Flohmarkt zu durchforsten, weil dieser am Samstag stattfindet. Eher so eine «eigentlich wollte man Geräteschuhe kaufen, doch das Kind darf spontan zum Gspänli»-Zeit. Ein Zeitfenster, das sich unverhofft und plötzlich auftut. Ein Segen im verstundenplanisierten Elterntag, der einen aber, so unvorbereitet, auch fast ein wenig überfordert. Also mich zumindest.

Nach dem ersten Schock der Erkenntnis, dass ich mich tatsächlich kurz aufs Ohr legen könnte, fallen mir jedoch meist gleich zig To-dos ein, mit denen sich die frei gewordenen Minuten bis Stunden füllen liessen. Mails beantworten, zum Beispiel. Zahlungen machen. Oder die Küchenschränke rausputzen. Letztes Mal stach mir zudem der Haufen aus Schulzeug, Turnzeug, Finken, Malschürzen und Bastelarbeiten ins Auge, der sich in der letzten Woche vor den Ferien durch die täglichen Materialtransporte der Kinder aus der Schule aufgetürmt hatte. 

Es gibt immer zu tun

Nie mangelt es Eltern an Dingen, die zu erledigen, sortieren, ausmisten, aufräumen, putzen, waschen wären. Für die man Zeit nutzen könnte, sollte, ja müsste. Und was immer es ist, ob angeborenes Pflichtbewusstsein oder verinnerlichte protestantische Arbeitsethik: Meine «Erst die Arbeit, dann das Vergnügen»-Haltung kann ich stets schwer ablegen.

Internalisierte kulturelle Muster nennen es in ihrem Spiegel-Bestseller «Alles eine Frage der Zeit» die Autoren Harald Lesch, Karlheinz A. Geißler und Jonas Geißler. Reflexartig füllen wir unverhofft freie Zeit mit neuen Aufgaben, so die Autoren. Meist mit der Erklärung, dadurch etwas zu erledigen, was in naher Zukunft zu freier Zeit führen würde. (Wie man meint.)

Ich will die Zeit auf keinen Fall sinnlos verplempern, denke auch ich. Tue aber dann immer genau das. Vielleicht ist es die Unfähigkeit, zwischen allem, was getan werden könnte, zu entscheiden. Oder das Gefühl, von der spontanen Planänderung überrumpelt worden zu sein. Jedenfalls greife ich – als vermeintlich halb-legitime Form der Prokrastination – meist erst zum Handy.

«Ausgenutzte» Zeit = gute Zeit?

Natürlich nur kurz. So kurz, dass ich mich neulich ertappt fühlte von diesem Meme mit urzeitlichen Meerestieren und dem Spruch: «You’ve scrolled down so much, you’ve reached the Paleozoic period.» Und bevor ich mich wieder hoch wühlen kann aus dem digitalen Paläozoikum, findet die freie Zeit oft schon ihr Ende. Auch letztes Mal. Die Kinder tauchten schneller als erwartet wieder auf, weiterhin lag geballte Produktivität eines gesamten Schuljahres herum und das Abendessen war fällig.

Auch sonst hatte ich nichts erledigt. Schlimmer aber: Ich hatte mir auch nicht das Nichtstun erlaubt. Obwohl genau dieses – in Form eines Blicks in den Himmel, einer Meditation, eines Nickerchens – für Zeiterfahrungen jenseits der Beschleunigung sorge, wie es in «Alles eine Frage der Zeit» heisst. Was, im Gegensatz zum Gefühl der Zeitnot, zu jenem von «Zeitwohlstand» führe. Dazu müsse man sich aber von der Vorstellung verabschieden, nur maximal ausgenutzte Zeit, sei gute Zeit. Und von dieser nie kürzer werdenden To-do-Liste, die wir doch alle im Kopf haben. Sie löse nur Unbehagen aus und den Eindruck, immer hinterherzuhinken – bei mir zudem «erst mal», eben, den Griff zum Handy.

Mitten am Tag aufs Ohr legen

Ob mit Listen oder Timelines vor den Augen: Verloren geht dabei leicht das Gespür fürs «Hier und Jetzt». Oder diese schöne Zeitvergessenheit, wie sie Kindern eigen ist. Ich hätte sie mir von ihnen abschauen können, als sie klein waren. Aber es rief zu oft die Wäsche. Nun, da sie grösser werden, verlieren sie sie zunehmend selbst.

Da sie grösser werden, mehren sich aber vielleicht auch die freien Momente – und die Gelegenheiten, anderes vorzuleben, als jede Minute «ausnutzen» zu wollen, sobald man das Internet durchgelesen hat. 

Nächstes Mal!, sage ich mir. Nächstes Mal nehme ich den Blick sowohl vom Display, als auch vom Haufen der unverrichteten Dinge und werde… ja, vielleicht werde ich mich tatsächlich mal mitten am Tag aufs Ohr legen. Auf einer Parkbank zu dösen, sei ein kleiner Akt des zivilen Ungehorsams, heisst es im Buch auch. Das klingt doch nach einem guten Vorsatz.

Wie reagieren Sie auf unerwartete Pausen im elterlichen Hamsterrad, liebe Leserinnen und Leser? Diskutieren Sie mit.